Wege aus der Sucht

Türkisch-kurdische Drogenberatung Kodrobs in Hamburg ist die bundesweit einzige dieser Art. Ensprechend hoch ist die Resonanz

„Meist wird etwa Alkoholsucht nicht als Krankheit angesehen, sondern als Schande“

Von Carola Hoffmeister

Die Aussagen im Koran über Alkohol und Drogen sind eindeutig: „Haram“ – Verboten. Trotzdem gibt es auch gläubige Moslems mit Suchtproblemen. Für die Migranten in Deutschland ist es besonders schwer, professionelle Hilfe zu finden. Jetzt gibt es in Hamburg die bundesweit erste telefonische Suchtberatung in türkischer und kurdischer Sprache: Bei „Kodrobs“ in Wilhelmsburg berät Abuzer Cevik Migranten, die von Alkohol oder anderen Drogen nicht loskommen. Diese Telefonberatung in der Muttersprache der Betroffenen ist einzigartig in Deutschland und die Resonanz dementsprechend groß.

Bei Kodrobs angerufen hat auch Sakir Ekin. „Wegen Alkohol habe ich den Kontakt zu meiner Familie verloren und meine Tochter seit acht Jahren nicht gesehen“, sagt der 45-Jährige. Lange Zeit hat Ekin sein Trinken, das zum Bruch mit der Familie führte, aber nicht als Krankheit wahrgenommen. Für Berater und Sozialpädagoge Abuzer Cevik ist dies „typisch“ für die türkische Gesellschaft: „In den meisten Migrantenfamilien wird etwa Alkoholsucht nicht als Krankheit angesehen, sondern als Schande.“

Als Schande gilt der Konsum von Rauschmitteln nicht zuletzt deshalb, weil ihn der Koran scharf verurteilt. In der Scharia, dem islamischen Recht, gehört der Genuss von Wein – genau wie Raubmord und Diebstahl – zu den Kapitalverbrechen.

„Wenn die türkische Familie erfährt, dass der Sohn Drogenprobleme hat, will sie ihn verheiraten, in die Türkei oder zum Militär schicken“, so Berater Cevik. „Er soll mehr Verantwortung übernehmen, um von der Droge wegzukommen.“ Wege aus der Sucht sind aber nicht nur versperrt, weil das Thema tabuisiert ist. „Viele Migranten kennen niemanden, den sie um Hilfe bitten können“, weiß der Pädagoge.

Auch für Sakir Ekin war das Angebot von deutschen Suchttherapeuten wegen der Sprachbarriere keine Alternative. So geht es den meisten Betroffenen. „Wir bekommen sogar Anrufe aus Frankreich und der Schweiz“, berichtet Cevik, manche habe sich mit ihm für ein Treffen verabredet: „Ich dränge aber keinen, das muss jeder selber wissen.“

Sakir Ekin hat sich mit Abuzer Cevik getroffen. In der Beratungsstelle an der Weimarer Straße 83 erhält er zunächst praktische Hilfe, etwa beim Ausfüllen der Therapieanträge für die Krankenkasse. Sakir Ekin will einen stationären Entzug in Bad Dürkheim beginnen. Dort gibt es bundesweit die einzige Therapie in türkischer Sprache.

Bei Kodrobs können aber nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Familien Hilfe erhalten. Mit dem türkischen Elternbund hat die Drogenberatungsstelle eine Angehörigengruppe gegründet, in der Wege im Umgang mit Suchtkranken aufgezeigt und Erfahrungen ausgetauscht werden. Denn Sucht hat auch immer mit dem Umfeld zu tun: „Viele werden süchtig, weil sie sehr belastet sind durch die Situation in Deutschland, durch Arbeitslosigkeit und Sprachprobleme“, sagt Cevik: „Es besteht Bedarf an weiteren Einrichtungen wie Kodrobs.“

Telefonhotline in türkischer und kurdischer Sprache freitags von 9 bis 18 Uhr unter ☎ 75 66 22 22. Weitere Infos unter www.kodrobs.de