berliner szenen Falsche Versprechungen

Penny hat enttäuscht

Wir sind verlassen gewesen, monatelang. Der Lidl in unserer Straße hatte geschlossen. Er zog ein paar hundert Meter weiter, zu weit, um mal rasch auf dem Heimweg noch ein paar Einkäufe zu erledigen, Eier zu holen, so was. Ansonsten kein Lebensmittelladen in der Straße, nur Kioske und Spätkäufe, eine kleine Bäckerei. Das Quälen der MitarbeiterInnen, der üble Geruch dort – selbst eingedenk dessen vermissten wir ihn.

Dann, vor ein paar Wochen, ein Lichtblick, der Laden ist neu vermietet, er wird geputzt, innen wird herumgerissen. Vor 14 Tagen die Ankündigung „Ihre“, also unsere, „Penny Filiale wird am Donnerstag, den 13. 1. geöffnet“. Wir freuten uns, der Bäcker räumte ein, dass fortan sein Geschäft wieder besser liefe, ich hoffte, dass meine Zeit als gehetzter Spätkaufkunde ein Ende habe. Lächelnd ging ich mindestens zweimal am Tag auf dem Weg von der oder zur U-Bahn an dem Laden vorbei, es wurde gemalt, Tonnen von Ware wurden aus Lkws geholt, die Ladenschilder angeschraubt, ein Lichtkasten für Sonderangebote installiert. Vorgestern dann etwas Merkwürdiges, ein „Tag der offenen Tür“, ich sah noch eine Frau mit Einkaufstüten aus der Tür hetzen, kurz nach 20 Uhr.

Gestern schließlich mein Tag, die Eröffnung. Ich war schon früh im Laden, hatte extra nichts gekauft in der Woche vorher. Doch dann die Enttäuschung – der Penny sah fast so aus wie früher der Lidl, statt blau jetzt rot, ein trauriger Clown formte Luftballonwursthunde, ein anderer Mitarbeiter stand verloren neben ein paar Sektgläsern. Die Euphorie verlor sich sofort. Draußen dann, nach einer Schlacht an der Kasse und mit zwei vollen Tüten in den Armen, wusste ich wieder: Der Kapitalismus verspricht viel und hält nichts. JÖRG SUNDERMEIER