Abendlicher Eiskunstlauf mit Schuss

Mit Biathlon unter Flutlicht versucht der SC Ruhpolding auch unter der Woche die Zuschauermassen zu mobilisieren

RUHPOLDING taz ■ Liv Grete Poirée tappte ein wenig im Halbdunklen herum, ehe sie sich aufrappelte und noch die richtige Kurve kriegte. Zweimal musste die viermalige Biathlon-Weltmeisterin aus Norwegen am Mittwochabend in die Strafrunde beim Weltcup in Ruhpolding. Als sie merkte, dass sie ein weiteres Mal in den Umweg eingebogen war, bremste sie so scharf ab, dass sie in den Schnee fiel. Poirées Schießfehler samt Irrlauf brachten die norwegische Staffel am Ende um den Sieg, aber die Malheurs lagen gewiss nicht an schummriger Beleuchtung, wie man hätte vermuten können angesichts der späten Startzeit. „Sie war einfach unkonzentriert“, sagte ihre Mitläuferin Gro Istad-Kristiansen, die als Führende an Poirée übergeben hatte und dann mit ansah, wie die Kollegin als Dritte ins Ziel kam, hinter den Schlussläuferinnen aus Russland und Deutschland.

Kati Wilhelm hatte den Biathletinnen des Deutschen Skiverbandes (DSV) den zweiten Platz gerettet, indem sie noch an Poirée vorbeigeskatet war. „Es war schon ein schönes Gefühl, die überragende Läuferin des letzten Winters zu überholen“, sagte sie, empfand aber gleichzeitig Mitgefühl mit der Konkurrentin, die „als Stärkste ihres Teams den Sieg noch verschenkt“ habe. So stark wie im vorigen Winter ist die Weltcup-Gesamtsiegerin Poirée freilich nicht mehr, am Mittwoch schoss sie sogar schlechter als Uschi Disl, die bekanntermaßen bei Kunstlicht Probleme mit den Kontrasten hat. „Sobald ich was Schwarzes gesehen habe“ beim Blick durchs Visier, „habe ich abgedrückt“, erzählte sie später und resümierte: „Anscheinend war es richtig“, denn sie kam ohne Strafrunde davon. Aber sie sagte auch: „Eine große Liebe wird das nicht mehr mit den Nachtevents.“

Damit gehört sie zu einer Minderheit, denn das Urteil über das Abendrennen fiel durchweg positiv aus. Der SC Ruhpolding hatte ja schon mal damit experimentiert, die Wettbewerbe unter der Woche in den späten Nachmittag zu verlegen, damit nach Feierabend mehr Zuschauer kommen. Diese Rechnung ging auf, am Mittwoch waren 12.000 im Stadion, zudem übertrug das Fernsehen stimmungsvolle Bilder. Selbst die Athletinnen genossen die Atmosphäre, zumal ja auch das anfängliche Problem, Strecke und Schießstand ausreichend zu beleuchten, von den Organisatoren gelöst wurde. Die Russin Anna Bogali lobte jedenfalls: „Es war viel besser als vor drei Jahren, das Licht ist kein Problem mehr.“ Martina Glagow fand es gar „so hell wie am Tag“.

Wo viel Licht ist, ist freilich auch Schatten, und in dem gefror mit zunehmender Renndauer die Schneeschicht immer mehr. „Auf Eisplatten ist man nicht unbedingt gefasst“, sagte Kati Wilhelm diplomatisch; am drastischsten beschwerte sich Katrin Apel: „Ich bin keine Eiskunstläuferin.“ Die Biathleten erfahren gerade die Schattenseiten Popularität, sie zahlen Tribut an die Öffentlichkeit und deren Interessen. „Für Zuschauer und Veranstalter ist es sicher besser, die Rennen am Abend zu veranstalten“, sagt Anna Bogali, „für uns Sportler wäre es am Morgen besser.“ Gro Istad-Kristiansen pflichtete bei: „Vom Rhythmus her ist das ungewohnt. Man wird nachmittags müde, muss sich aber noch mal aufraffen.“

Im Grunde sei es wohl Gewöhnungssache, vermuteten die meisten, und Sven Fischer – gestern Abend mit der deutschen Männer-Staffel im Einsatz – gab zu bedenken: „Es darf nur nicht passieren, dass man gleich am nächsten Morgen wieder ranmuss.“ JOACHIM MÖLTER