Krieg in der Küche

Wenn der Streit um Auslandseinsätze der Bundeswehr zum Militärthriller wird – und ganz in der Familie bleibt: „Das Kommando“ (20.40 Uhr, Arte)

VON CHRISTIAN BUSS

Die Mutter (Iris Berben) leitet ein Kinderkrankenhaus im irakischen Basra, der Vater (Robert Atzorn) ist Brigadegeneral und soll einen Militärschlag gegen islamistische Terroristen im Kaukasus führen, Sohn Christopher (Jens Atzorn) dient in Papas Spezialeinheit – konfliktträchtige Konstellation am Küchentisch.

Wenn die Büchners reden, klingt das so: „Ich kann es nur schwer akzeptieren, dass mein Sohn für eine zunehmend inhumane Bündnispolitik seinen Kopf hinhält“, sagt die Ärztin. „Mit dem Kommando schreiben wir Militärgeschichte, wenn wir es überleben“, kontert der General. Sicher, so viel verdichtete Haltung passt auf keine Karlsruher Eigenheimterrasse. Als Familientragödie ächzt „Das Kommando“ unter seinem gesellschaftspolitischen Anliegen. Trotzdem entwickelt Regisseur und Autor Thomas Bohn aus dieser Versuchsanordnung ein Szenario, das anschaulich die moralischen und strategischen Implikationen möglicher Militäreinsätze im Ausland ausgestaltet.

Das war in Deutschland bislang ein Tabu. Und auch im Rest Europas tat man sich – vom exzellenten BBC-Blauhelm-Drama „Warriors“ vor fünf Jahren abgesehen – mit der fiktionalen Aufarbeitung des wachsenden militärischen Engagements in den Krisengebieten der Welt schwer. Diese Skrupel werden jetzt langsam abgelegt. Im März läuft etwa Susanne Biers Film „Brothers“ an, der vor dem Hintergrund des dänischen Truppeneinsatzes in Afghanistan ein Brüderpsychogramm entwickelt.

Durch Ausdehnung des Militärdramas in den geschützten zivilen Bereich Mitteleuropas, erhält das Thema auch für normale Zuschauer Dringlichkeit. Dass der Stoff hierzulande nun als Erstes von Thomas Bohn aufgegriffen wird, hätte man sich denken können. In seinen formatsprengenden „Tatort“-Produktionen ließ er bislang kein heißes Eisen unangerührt.

Nur wenige Monate nach den Anschlägen auf das World Trade Center drehte er für den NDR eine (freilich schon vor dem 11. September konzipierte) Episode um eine Flugzeugentführung, die mit einem salopp inszenierten finalen Rettungsschuss beendet wird. Bohn vollstreckt in seiner Dramaturgie meist die Regeln des klassischen Genrekinos. So auch für die SWR/Arte-Produktion „Das Kommando“, die über weite Strecken als panzerstahlstarrer Militärthriller daherkommt. Wenn Trauer angesagt ist, erklingt eine traurige Trompete wie auf einem Soldatenbegräbnis, Action wird mit Marschgetrommel unterlegt. Der Einsatz, zu dem Büchner senior Büchner junior abkommandieren muss, entpuppt sich als Gefälligkeitsdienst für die US-Regierung, die von den Nato-Partnern geheime Präventivschläge gegen mutmaßliche Talibankämpfer einfordert, dafür aber offiziell nicht mehr darauf drängen will.

Erst im letzten Moment wird der General über die wahren Hintergründe informiert – um einen Handel, der an allen parlamentarischen Instanzen vorbei eingefädelt worden ist. Er stürzt den aufrechten Demokraten, gehorsamen Soldaten und liebenden Vater in einen schweren Gewissenskonflikt. Atzorn senior spielt diesen Gewissenskonflikt mit sorgenzerfurchter, soldatenmüder Visage aus und bringt den Junior durch diese Tragöden-Großoffensive fast zum Verschwinden.

Am Ende geht dann alles recht zivil aus: Es wird noch eine verwundete junge Islamistin aus dem Terrorcamp gerettet, der Sohn scheidet ehrenwert aus dem Militärdienst aus, der Vater darf vor einem Untersuchungsausschuss verkünden, wie stolz er auf seinen menschlich gebliebenen Sohn ist. Ein verqueres, actionreiches Rührstück zu einem Thema, das im europäischen Film sicher bald noch stärker behandelt wird.

Wiederholung: „Das Kommando“, Mittwoch, 19. Januar, 20.15 Uhr, ARD