: Suche nach Kriegsgrund ist eingestellt
Nun weiß es selbst Bush: Im Irak gibt es keine Massenvernichtungswaffen. Der US-Präsident bestätigt Presseberichte, nach denen die Fahndung nach ABC-Waffen im Dezember klammheimlich eingestellt wurde. Demokraten verlangen eine Erklärung
AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK
Die Nachricht kam nicht vom Pressesprecher des Präsidenten oder durch eine offizielle Erklärung der Regierung. Sie sickerte in der US-Hauptstadt, dieser Tage völlig absorbiert, die glamouröseste und teuerste Amtseinführung eines Präsidenten in der US-Geschichte vorzubereiten, am Mittwoch an die Presse durch: Kurz vor Weihnachten wurde still und heimlich die zweijährige Suche nach Saddam Husseins verbotenen ABC-Waffen eingestellt.
Die Gründe: keine neuen Informationen und anhaltende Gewalt im Irak, die das Vorhaben erschweren. Mitarbeiter der zuständigen US-Inspektorengruppe hatten dies einigen Zeitungen gesteckt.
Nun ist der Gehalt der Nachricht weder neu noch überraschend. Der Chef der Suchtrupps, CIA-Mann Charles Duelfer, hatte schon im September in einem Bericht an den Kongress resümiert, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gebe. Monate zuvor hatte bereits Duelfers Vorgänger, der Irak-Waffenexperte David Kay, das Handtuch geworfen und mitgeteilt, dass Hussein zum Zeitpunkt der Invasion im März 2003 weder über ABC-Waffen noch Waffenprogramme verfügte.
Man könnte argumentieren, das Kind ist nun einmal in den Brunnen gefallen und jetzt müssen alle Kräfte darauf verwendet werden, es zu retten. Will heißen, die US-Regierung hat andere Sorgen und versucht, die katastrophale Lage im Irak zum Besseren zu wenden. Doch bei der Suche nach Waffenbeständen im Irak handelt es sich nicht um ein Folgeprojekt der Besatzung, sondern um den von der Bush-Regierung einst so vehement vorgebrachten Kriegsgrund.
Als sich die Nachricht in Washington verbreitete, gewährte der Präsident dem Fernsehsender ABC ein seltenes Interview. Mit seinem irritierenden Lächeln saß er da, so als ginge es nur um die Kleider seiner Frau für die Bälle kommende Woche. Er gab sich unerschüttert wie immer und rechtfertigte den Krieg, der über 1.300 Soldaten und zehntausende irakische Zivilisten das Leben kostete. Der Krieg sei es „absolut“ wert gewesen, meinte er, auch wenn keine Waffen gefunden wurden. Er bestätigte, dass die Suche der Inspektoren inzwischen erfolglos abgebrochen wurde. „Ich dachte, wir finden Massenvernichtungswaffen, so wie es viele hier und in der ganzen Welt dachten“, sagte er lapidar. Keine Fehler, keine Reue, keine Sorgen. Und das Mantra, die Welt sei heute sicherer dank seiner Entscheidung.
Doch Bush wäre nicht Bush, wenn er die Verantwortung nicht noch rasch von sich gewiesen hätte, so, als ob der CIA den Kriegsbefehl erteilt hätte. Es gelte herauszufinden, was beim Sammeln der Geheimdienstinformationen schief gelaufen sei. Nur einige Demokraten im Kongress reagierten erbost und verlangten von Bush eine öffentliche Erklärung. „Der Präsident muss endlich sagen, warum er so falsch lag“, sagte Nancy Pelosi, Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus – eine Forderung, die jedoch schnell verhallte.