Schlechte Laune trotz Wachstum

Obwohl die Wirtschaft in Deutschland 2004 stärker wuchs als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre, will keine rechte Aufbruchstimmung aufkommen. Nur die Bundesregierung freut sich pflichtschuldig

VON BEATE WILLMS

Nicht eine gute und eine schlechte, sondern ein Mischmasch von nicht so einfach zu wertenden Nachrichten hatte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Johann Hahlen, gestern zu überbringen. Im Zentrum: die Meldung, dass die Wirtschaft in Deutschland 2004 nun amtlich um 1,7 Prozent gewachsen ist.

Damit ist nicht nur die dreijährige Phase der Stagnation überwunden, das Wachstum liegt tatsächlich sogar über dem Zehnjahresdurchschnitt von 1,4 Prozent. Dafür mussten die Beschäftigten aber auch bis zu fünf Tage mehr arbeiten, was allein rund 0,6 Prozentpunkte zum Wachstum beigetragen haben dürfte – ein Einmaleffekt, der sich die nächsten Jahre nicht wiederholen wird. Und auch im internationalen Vergleich liegt Deutschland eher hinten. Von den 25 EU-Ländern haben 20 bessere Zahlen, der Durchschnitt liegt bei 2,4 Prozent. Trotzdem gelang es Hahlen, das Ergeb- nis positiv zusammenzufassen: „Die Wirtschaft hat sich erfreulich deutlich belebt.“ Ganz optimistisch zeigte sich nur einer: „Die Trendwende ist eingeleitet“, sagte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD).

Zum Wirtschaftswachstum haben dabei alle Wirtschaftsbereiche mit Ausnahme des Baugewerbes beigetragen. Den größten Anteil lieferte die Industrie mit einem Plus von 4,7 Prozent, Land- und Forstwirtschaft sowie die Fischerei legten um 3 Prozent zu, Handel, Gastgewerbe und Verkehr um 2,1 Prozent. Nicht ganz so viel trugen Finanz- und Unternehmensdienstleistungen sowie Vermietungen mit 1,6 Prozent zum Wachstum bei.

Deutlicher zeigt sich das Problem der deutschen Wirtschaft in der Gegenüberstellung von ausländischer und inländischer Nachfrage: Während der Export wiederum um 8,2 Prozent zulegte, schrumpfte die private Nachfrage um 0,3 Prozent, und auch die staatliche lag nur um magere 0,4 Prozent höher als 2004.

Die Reaktionen der Opposition waren erwartungsgemäß schadenfroh. „2004 war ein verlorenes Jahr für Deutschland“, erklärte etwa Unionsfraktionsvize Ronald Pofalla. Sein FDP-Kollege Carl-Ludwig Thiele sprach von einem „kümmerlichen Ergebnis“. Aber auch bei den Ökonomen brachte das Ende der Stagnation keine Aufbruchstimmung. „Insgesamt bleibt das Bild düster“, sagte der Chefvolkswirt der Bayerischen Landesbank, Jürgen Pfister. „Wir haben eine Erholung, aber keinen Aufschwung.“

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