Grundschule bald elitär

Mit einem Änderungsantrag zum neuen Schulgesetz sollen auch private Träger auf Antrag eine Schule eröffnen können. Abgeordnete der SPD zeigen sich irritiert, Grüne sehen „Bestandsgarantie“

VON ELMAR KOK

In Nordrhein-Westfalen sollen zukünftig auch private Träger eine Grundschule eröffnen können – das könnte ein von der rot-grünen Koalition eingebrachter Änderungsantrag im neuen Schulgesetz zur Folge haben. Kritiker des Entwurfs, dem sich am 12. Januar alle Fraktionen des Landtages angeschlossen haben, sehen das Prinzip der Grundschule als „Schule für alle“ ausgehebelt.

Wolfgang Lieb, ehemaliger Staatssekretär des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministeriums von 1996 bis 2000, schreibt auf seiner Homepage, mit dem Änderungsantrag in „letzter Sekunde“ wolle die Regierungskoalition einen „Rechtsanspruch auf die Errichtung von privaten Grundschulen einführen“. Somit könnten einheimische Kinder an einer privaten Schule, an der Schulgeld erhoben werden dürfe, ihrer Schulpflicht nachkommen. Lieb sieht mit dem Antrag, sollte er nach der dritten Lesung im Landtag Gesetz werden, eine der „wenigen verbliebenen egalitären Institutionen in der Gesellschaft“ gefährdet. Wie die Wehrpflicht und die Gleichheit vor dem Gesetz sei die „Schule für alle“ zumindest im Primarbereich ein Symbol der Chancengerechtigkeit, schreibt der gelernte Jurist.

Rainer Niensch, Sprecher des PR-Büros für die internationale Schule in Neuss, sagt, „die Änderungen sind im Landtag wohl so durchgegangen, ohne dass einer wusste, worum es da ging“. Er beurteile die neue Gesetzesfassung durchweg sehr positiv, gebe sie doch zumindest eine Bestandsgarantie für die privaten Schulen im Land. Schulen in öffentlicher Trägerschaft bewegten sich durchweg auf dem Niveau der Schwachen, und „mehr Mittelmaß brauchen wir nicht“. Dass private Bildungsfirmen demnächst, wie von Lieb befürchtet, ihre Schulen in Nordrhein-Westfalen eröffneten, glaubt Niensch jedoch nicht, „dafür braucht es zuerst das Engagement von Eltern“. Das sagt auch der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, Ralf Witzel. „Letztlich geht es in der Gesetzesvorlage um die Bestandssicherung bei den privaten Schulen“, sagt er. Dass es zukünftig viele private Grundschulen gebe, glaubt er nicht, „das wäre vorschnelle Euphorie“.

Im Schulministerium will Staatssekretär Elmar Schulz-Vanheyden den irritierten sozialdemokratischen Abgeordneten das Gesetz am 18. Januar noch einmal erklären. „Der Staatssekretär hat sich diesen Termin dafür freigehalten“, sagt Ministeriumssprecher Ralph Fleischhauer. Dass der Gesetzesentwurf das so genannte Sonderungsverbot nach Artikel 7 des Grundgesetzes, wonach „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert werden darf“, aushöhle, glaubt Fleischhauer nicht. Schließlich müssten die anerkannten Privatschulen, um eine Primarstufe zu betreiben, zukünftig Kinder aus ärmeren Verhältnissen aufnehmen, sagt er. Wie das durch die Schulaufsichtsbehörden überprüft werden könne, steht allerdings noch in den Sternen. Der Gesetzesentwurf schreibt den Schulen lediglich vor, „für einen nicht unerheblichen Teil der Schüler“ einen „substantiellen Anteil der entstehenden Kosten“ zu tragen. Juristisch eine schwammige Formulierung, die einen „Rechtsanspruch auf Zulassung eine durch Schulgeld finanzierte, private Grundschule“ verankern könne, wie Lieb auf seiner Homepage schreibt.