Uni nur noch für Gutbetuchte

Studentenwerk legt Sozialstudie vor: Immer weniger Kinder aus armen Elternhäusern finden den Weg an Hamburgs Hochschulen. Auch bei Studienunterbrechern liegt Hansestadt vorn. Die Ursache sind Orientierungs- und Finanzprobleme

von Eva Weikert

In Hamburg wird die akademische Ausbildung immer elitärer: Der Großteil der Studierenden kommt aus gehobenen Kreisen. Diese bundesweit steigende Ungleichverteilung liegt in der Hansestadt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Zugleich ist das Studentenleben hier teurer. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngste Sozialerhebung zur wirtschaftlichen Lage der Hamburger Studierenden, die das Studentenwerk gestern vorlegt hat.

„Im Leben der Studierenden in Hamburg ist vieles anders als im Bundesdurchschnitt“, bilanzierte Studentenwerkschefin Ulrike Pfannes. So werden sie mit einem Alter von aktuell durchschnittlich 27 immer älter, ihre Kommilitonen im Rest der Republik dagegen mit zurzeit 25 Jahren jünger. Eine weitere regionale Besonderheit ist, dass mit 11,4 Prozent doppelt so viele verheiratet sind und häufiger als andernorts Kinder haben (9,5 Prozent). Für die Expertise wurden 1.844 Fragebögen versandt, von denen 677 zurückkamen. An der Stichprobe nahmen 2003 Studierende der sechs staatlichen Hochschulen sowie der privaten Bucerius Law School und der Evangelischen Fachhochschule für Sozialpädagogik teil, an denen insgesamt 64.000 Menschen eingeschrieben sind.

Christian Duncker, der die Studie vorstellte, berichtete von einer „Verlagerung der Studierenden aus der ,niedrigen‘ zur ,hohen‘ gesellschaftlichen Herkunftsgruppe“. Während der Erhebung zufolge nur knapp elf Prozent in bildungsfernen Elternhäusern aufwuchsen, stammen mehr als zwei Drittel aus Akademikerhaushalten oder wohlhabenderen bis reichen Familien. Der Anteil jener, deren Eltern etwa ungelernte Arbeiter oder Angestellte sind, hatte im Jahr 2000 noch vier Prozent höher gelegen. Duncker hält diese Entwicklung nur „zum Teil für einen Spiegel der Gesellschaft, weil ja das Bildungsniveau insgesamt steigt“. In Hamburg entwickle sich die Ungleichverteilung aber „deutlich schärfer“. Gründe könne er nicht nennen. Weit vorn liegt Hamburg auch bei den Studienunterbrechern (23,5 % gegenüber 16,4) und den Langzeitstudierenden (23,3 % gegenüber 16,7). Duncker benannte als Ursache vor allem „Orientierungs- und Finanzierungsprobleme“. Zwar hätten Hamburger Studierende mit monatlich 858 Euro 48 Euro mehr als ihre Kommilitonen anderswo. „Doch ihr Leben ist auch 75 Euro teurer.“

Nirgendwo in der Republik zahle ein Hochschüler mehr Miete als in Hamburg. Zudem gebe es weniger Wohnheimplätze. Auch sei der Öffentliche Nahverkehr teurer. Darum „sehen drei Viertel der Studierenden keine Alternative, als zu arbeiten“, so Duncker: „Das ist deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt.“ Weil aber der eigene Verdienst erstmals seit vielen Jahren sinke, seien jetzt die Eltern zur wichtigsten Geldquelle geworden.

Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) forderte, die Ergebnisse der Studie nicht nur negativ zu bewerten. Das höhere Alter der Hamburger Studierenden erkläre sich etwa auch dadurch, dass viele nach dem Abi erst eine Berufsausbildung absolvierten. Zugleich mahnte er „echte Teilzeitstudienangebote an, die sich mit Familie und Berufstätigleit vereinbaren lassen“.

Den in Hamburg so engen Bildungstrichter empfindet er als „beunruhigend“. Um ihn für sozial Schwächere zu öffnen, gebe es aber eine Lösung. „Länder mit Studiengebühren haben eine höhere Bildungsmobilität“, wiederholte Dräger einmal mehr sein Credo einer allgemeinen Semestergebühr: „Die Selektion verschärft sich dadurch nicht.“

Siehe auch Bericht Seite 27