Abchasien wählt ein Sowohl-als-auch

Die abtrünnige georgische Teilrepublik wehrt sich gegen Schutzmacht Russland. Aber zu Georgien will sie auch nicht

MOSKAU taz ■ Drei Monate nach dem ersten Wahlgang bei den Präsidentschaftswahlen in der von Georgien abtrünnigen Republik Abchasien steht der Sieger fest. Mit 91 Prozent machte Sergej Bagapsch das Rennen, der eigentlich schon im ersten Wahlgang im Oktober die erforderliche Mehrheit erzielt hatte. Dass er das Amt damals nicht gleich antreten konnte, lag an einem Schönheitsfehler: Bagapsch war nicht der Wunschkandidat des Kreml, der die zu Georgien gehörende Teilrepublik am Schwarzen Meer seit über einem Jahrzehnt wie ein Protektorat verwaltet. Moskaus Kandidat, der von Kremlchef Wladimir Putin auserkorene gelernte KGB-Mitarbeiter Raul Chadschimba, erhielt beim ersten Durchgang allerdings nur einige hundert Stimmen.

Die direkte Intervention des großen Bruders empfanden die selbstbewussten Kaukasier indessen als eine Demütigung. Als das Oberste Gericht Abchasiens auch noch die Wahlen für ungültig erklärte, stürmten Anhänger Bagapschs den Präsidentenpalast. Moskau sah sich zum Einlenken gezwungen. Am wiederholten Erfolg Bagapschs bestanden auch in der zweiten Runde keine Zweifel. Nur trat er diesmal im Tandem mit dem unterlegenen Opponenten Chadschimba an. Emissäre des Kreml hatten ihn im Dezember dazu gezwungen. Moskau forderte „Korrekturen“ an dem „nicht adäquaten“ Volkswillen. Das Parlament änderte daraufhin auf die Schnelle noch die Verfassung und stattete den zukünftigen Vizepräsidenten mit fast gleichen Rechten wie den Präsidenten aus. Nun darf auch der Stellvertreter die Leitlinien der Außenpolitik vorgeben sowie Verteidigungs- und Sicherheitsfragen koordinieren. Kein Staat der internationalen Gemeinschaft außer Russland erkennt aber die Unabhängigkeit Abchasiens an, weshalb auch die Wahlen nach hat internationalem Recht nicht gültig sind.

Obwohl Bagapsch dem Druck Moskaus nachgab, haben die Wähler ihn dafür nicht abgestraft. Das ist nicht verwunderlich: Der Nachbar schloss während der Ernte die Grenze und ließ die „Mandarinenrepublik“ auf ihren Zitrusfrüchten sitzen. Obst und Gemüse gehören zu den wenigen Einnahmequellen der subtropischen Republik.

Seit Ende des Unabhängigkeitskrieges 1992 hat Russland überdies den meisten Abchasen die russische Staatsbürgerschaft verliehen. Nun drohte Moskau indes, die Grenze ganz zu schließen und stellte demonstrativ auch noch den Zugverkehr zwischen Abchasiens Hauptstadt Suchumi und Moskau ein: Auf keinen Fall sollte sich das Szenario der Ukraine wiederholen.

Doch warum der Kreml in Abchasien überreagierte, bleibt ein Rätsel. Auch Bagapsch stellt die Loyalität zu Moskau nicht infrage und lehnt Verhandlungen über eine Veränderung des Status quo mit Georgien bislang strikt ab. KLAUS-HELGE DONATH