HENNING BLEYL ÜBER DIE TAGE NACH DEM KIRCHENTAG
: Rückgewinnung des Raums

In Bremen ist Kirchentags-Kater, überall wird abgebaut. Doch schon vor einer detaillierten Berechnung aller Umwege-Rentabilitäten, die die kommunale Investion von 7,5 Millionen Euro rückblickend bewertet, kann man festhalten: Zu den positiven Aspekten dieses Kirchentags für Bremen zählt die Eroberung von öffentlichem Raum.

Das gilt beileibe nicht nur für den „Abend der Begegnung“. An ihm beeindruckte die noch nie da gewesene Durchdringung des gesamten Stadtkerns zwischen Weser und Wallanlagen wie auch dessen easy going – selbst kleinere Events sind normalerweise nur zum Preis von Müllbergen und alkoholgeschwängerten Aggressionsausbrüchen zu haben.

Nun kann man sagen: Wer gutes Wetter und 4.000 Pfadfinder im Rücken hat, die selbst stupide Jobs wie Wegweiser-Halten klaglos erledigen, hat leichtes Spiel. Doch in den Hafenbrachen, in denen mit Bremer Mitteln bislang nur einzelne Nutzungsinseln entstehen konnten, war die Aneignungs-Aufgabe ungleich schwieriger. Solche Flächen sind höchstens mit der Quantität, aber auch Qualität von Masse zu erobern, die nur ein Kirchentag aufbringen und kanalisieren kann. Es gelang: Dank der temporären Architektur und Atmosphäre des Kirchentags wurde die Übersee-„Stadt“ erstmals ihrem Namen gerecht, war vier Tage lang tatsächlich als urbaner Ort zu erleben – was deren Potentiale durchaus greifbarer macht.

Auf der Altmannshöhe schließlich zeigte sich, wie man ein nationalistisches Kriegerdenkmal zu einem Spiel- und Bühnenraum umfunktioniert. Das haben vor dem Kirchentag schon andere versucht – doch nach dieser von tausenden von BremerInnen wahrgenommenen Demonstration ist zu hoffen, dass endlich eine dauerhafte Umwidmung der Denkmalsmauer erfolgt.