Köln lässt sich von Ökostrom nicht elektrisieren

Ökostrom gibt es beim örtlichen Quasimonopolisten wie beim alternativen Stromanbieter. Doch die Kölner nutzen die ökologisch produzierte Energie kaum. Dabei kostet „sauberer“ Strom pro Monat nur etwa vier Euro mehr

KÖLN taz ■ 1998 wurde der deutsche Strommarkt liberalisiert, damit entfiel die Zwangsbindung der Stromkunden an den örtlichen Versorger. Seitdem haben alle Kunden die Möglichkeit, zu einem Lieferanten zu wechseln, der einen günstigeren Tarif oder ökologisch produzierten Strom verspricht. Doch die Kölner zeigen sich alles andere als wechselfreudig.

Während in Berlin bis 2003 rund 10 Prozent der Kunden der Bewag, dem örtlichen Versorger, den Rücken gekehrt hatten, waren es in Köln nur rund 3 Prozent – womit Köln einen Prozentpunkt unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Zurzeit werden nach Auskunft des Kölner Versorgers GEW RheinEnergie sogar mehr Kunden neu- oder zurückgewonnen, als zu anderen Versorgern wechseln. Momentan werden nur zirka 2 Prozent der Kunden im Versorgungsgebiet von Fremdanbietern beliefert.

Doch nicht jeder, der wechselt, geht auch zu einem Ökostromanbieter. Umfragen zufolge befürwortet zwar bundesweit eine Mehrheit der Verbraucher den Bezug so genannten „grünen“ Stroms, aber im gesamten Bundesgebiet beziehen gerade mal 1 Prozent der Stromkunden – zirka 500.000 Haushalte – Ökostrom. In Holland sind es immerhin rund 30 Prozent. Wie hoch der Anteil der Kölner Wechsler ist, die zu einem Ökostromanbieter gingen, ist unbekannt.

Warum so wenige Verbraucher auf Ökostrom umsteigen, ist bislang unklar. Allein die höheren Kosten werden es nicht sein, da der Mehrpreis nur einer Schachtel Zigaretten im Monat pro Person entspricht und die Ausgaben für Strom insgesamt nur 1,5 Prozent der Haushaltsausgaben ausmachen.

Auch der hauseigene Ökostrom „Energreen“ der GEW RheinEnergie verkauft sich in Köln schlecht. Nur knapp unter einem Prozent der GEW-Kunden beziehen den ökologisch produzierten Strom. Dieser wird von der 1999 gegründeten „Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung“ (ASEW) vermarktet, die zur Zeit bundesweit etwa 26.000 Haushalte versorgt. Träger der ASEW sind 78 kommunale Energieversorger.

„Energreen“ verkauft ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Der Kunde zahlt einen Aufpreis zwischen 1,16 und 4,64 Cent pro verbrauchte Kilowattstunde, womit dann erneuerbare Energien gefördert werden.

Der Verein „Grüner Strom Label“ hat „Energreen“ mit seinem goldenen Siegel ausgezeichnet. Damit soll sichergestellt werden, dass die Fördergelder in Anlagen investiert werden, die ohne diese Förderung nicht gebaut würden, dass also durch den Bezug des Ökostroms ein weiterer Ausbau der regenerativen Energien gewährleistet wird. Das „Grüner Strom Label“ bewertet ausschließlich den Ökostrom als solchen, Kriterien zur Qualität des Lieferanten gibt es nicht. Ein „böser“ Versorger kann also „guten“ Strom liefern.

GEW RheinEnergie bietet indes einiges an Angriffsfläche. An diesem größten kommunalen Energieversorger Deutschlands, der 2002 gegründet wurde, hält die GEW (eine 100-prozentige Tochter der Stadt Köln) 80 Prozent der Anteile. Der Rest gehört dem Essener Energiekonzern RWE. Im Versorgungsgebiet der neuen Aktiengesellschaft, das bis weit ins Kölner Umland reicht, leben zirka 1,5 Millionen Menschen. In der Vergangenheit stand besonders die RWE oft im Kreuzfeuer der Kritik von Umweltschützern, hauptsächlich wegen der Verflechtung mit der Atomwirtschaft, massiver politischer Einflussnahme und der Umweltverschmutzung, insbesondere aufgrund der Braunkohlenverstromung, welche die RWE-Tochter Rheinbraun vor den Toren Kölns betreibt.

Bei Umweltschützern und Kernkraftgegnern ist der Sinn von Ökostrombezug nicht unumstritten. Weitgehende Einigkeit besteht jedoch darüber, dass auch auf diesem Markt die Spreu vom Weizen zu trennen ist: Strom aus alten Wasserkraftwerken als Ökostrom zu beziehen, wie beispielsweise „AquaPower“ von Eon, hat mit den Ausbau von regenerativen Energiequellen nichts tun.

Kunden von reinen Ökostromanbietern, die in der Regel ihren Strom bundesweit vertreiben, haben da schon eher die Gewähr, keinen Atomstromlobbyisten gewählt zu haben. Aber auch bei diesen Lieferanten gibt es durchaus große Unterschiede. Einige versorgen ihre Kunden mit eigenem Strom. Nach diesem Modell verfahren beispielsweise die Elektrizitätswerke Schönau, Lichtblick und Greenpeace. Bei anderen Anbietern wie der Naturstrom AG bleibt man zwar beim alten Versorger, bezahlt aber einen verbrauchsabhängigen Aufpreis an den Ökostromanbieter.

Wichtige Kriterien sind weiterhin, ob der Ökostrom aus alten oder neuen Anlagen kommt und in wieweit Strom aus Kraftwärmekopplungsanlagen verkauft wird. Die Geister scheiden sich an der Frage, ob es sich dabei um eine ökologisch vertretbare Energieform handelt oder nicht.

Peter Weissenfeld

Die Kölner Anti-Atom-Initiative „Gegenstrom“ lädt heute, 20 Uhr, zur Informations- und Diskussionsveranstaltung „Ökostrom – Gewissensberuhigung oder Einstieg in die Solargesellschaft?“ ins Friedensbildungswerk, Am Rinkenpfuhl 31, ein. Referent ist Jörg Bergstedt von der Projektwerkstatt in Saasen. www.oekostrom.de.tc