Luxus aus der Fleischfabrik

„Wackerer Persianer aus Namibia“, „Bisamratten aus Asien“ und „Merino-Lammfelle aus Deutschland“. Der Zentralverband des Kürschnerhandwerks hatte geladen. Statt Protesten von Tierschützern klickten die Digitalkameras

Die perfekt geschminkte Mittsiebzigerin nippt an ihrem Glas. Weil der Stehtisch, an dem sie lehnt, in einem Hamburger Mittelklassehotel und nicht in einem Fünf-Sterne-Haus in St. Moritz steht, gibt es Mineralwasser statt Champagner. Sie trägt eine geblümte Jacke mit rosa Pelzbesatz. Das dauergewellte, weiße Haar ist kunstvoll auftoupiert, daneben steht ihr Mann, wohl weil er ihren Traumpelz gleich vor Ort erstehen soll. Der Zentralverband des Kürschnerhandwerks hatte geladen und wollte mit einer Modepräsentation zeigen, warum die Pelzbranche im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 2,5 Prozent gemacht hat.

„Pelz ist in.“ Das verkündet der Präsident des Zentralverbands, Wolfgang Jahn gern. In kleiner Runde von 20 Gästen und drei Journalisten Pressevertretern preist er die Langlebigkeit des Stoffes an, seine Wendbarkeit, die Leichtigkeit. Statt Protesten von Tierschutzorganisationen hört man nur das leise Klicken der Digitalkameras.

Die meisten Anwesenden kommen aus der Branche, erzählen Anekdoten aus der Ausbildung, klatschen über die Neuigkeiten und knipsen die Kreationen der Konkurrenz. Zur Konkurrenz gehört auch der Vorsitzende des Modeausschusses, Olaf Fechner. Der säuselt in der Manier eines Volksmusikanten die Kniffe der tollen Teile ins Mikrofon. „Diese kurzen Jacken erinnern an Omas Brustwärmer – jetzt sind sie wieder sehr beliebt“, verkündet Fechner stolz. Seine kuhlederne Jacke spannt überm Wohlstandsbäuchlein. Der Berliner lässt mit seinen Pelzmänteln Frau ihrem Hund noch ähnlicher erscheinen als es das toupierte Haar bereits tut.

Für seinen Auftritt hat er sich die grauen und schon etwas lichten Haare frech zum Irokesen nach oben gegelt. „Unsere Mode ist für Junge und Junggebliebene“, meint der Meister des Kurzhaarschnitts. „Unsere Kundinnen sind zum Teil Mitte Dreißig“, sagt Fechner. Tatsächlich ist die typische Käuferin offenbar weniger agil als vielmehr labil, manchmal gar senil. Die Models, die der Kürschner über den grauen Teppich schickt, sind dafür kaum älter als 18 Jahre. Für einen der Mäntel, die sie durch den überheizten Konferenzraum tragen, müssten sie wahrscheinlich ihren Dispokredit überziehen. Ankleidehilfe Uschi bewacht im Nebenraum Felle im Gesamtwert von 140.000 Euro. Während die Mädchen auf viel zu hohen Highheels durch den Raum staksen, spricht Fechner vom „wackeren Persianer aus Namibia“, von „Bisamratten aus Asien“ oder auch von „Merino-Lammfellen aus Deutschland“. Die seien “Abfälle aus der Nahrungsmittelindustrie“.

Die Luxusware Pelz ist zu 60 Prozent ein Recycling-Produkt: 15 Prozent der Grundsubstanz Fell stammen aus der Schädlingsbekämpfung, 45 Prozent aus der Fleischfabrik. Der Berliner mit der modischen schwarzen Hornbrille versäumt nicht zu erwähnen, dass es sich bei den meisten Zuchtpelzen um „echte Ökopelze“ handelt: „Tiere in freier Wildbahn sind ein unbedingtes Muss in der Zucht“. Von einem Negativimage des Pelzes oder von farbspritzenden Tierrechtlern will Innungspräsident Jahn nichts wissen: „Die Zeiten sind vorbei.“

Lieber freut er sich, dass die Tierhaut „ein langlebiges Produkt“ sei, „das im Laufe seiner Lebensdauer der veränderten Figur der Trägerin angepasst werden kann“. Aus dem rosa Fellbesatz am Revers kann Modeschöpfer Fechner so einen neuen Brustwärmer formen – gerne auch in babyblau. Christina Stefanescu