Werkzeug subtiler Kopfverletzungen

Das Literaturhaus bietet heute den traditionellen Lesewettbewerb zum Erscheinen des neuen „Ziegels“ auf

Ein Hamburger Ziegel wiegt etwa ein Kilo und ist gut dazu geeignet, anderen Menschen schlimme Kopfverletzungen zuzufügen. Nebenbei hat er auch noch knapp 700 Seiten und zählt zu den renommiertesten Anthologien junger Autorenkultur. Zum Erscheinen des neunten Hamburger Jahrbuchs für Literatur, dem „Ziegel“, findet heute der traditionelle Lesewettbewerb im Literaturhaus statt.

Auch mit dem neuen Band zeigen die Herausgeber, dass sie keinerlei Schwellenängste haben. So stehen Erzählungen und Romanauszüge neben Collagen, Gedichten und Tagebuchaufzeichnungen. Literarische Neulinge sind ebenso zu finden wie renommierte Autoren.

„Ganz gerne zentral“ wohnt Julia Rehdantz etwa in ihrer gleichnamigen Erzählung, doch „als in der zweiten Woche unsere Ikea-Fußmatte verschwunden war, wurden wir doch stinkig. Plötzlich haben wir geahnt, warum die Nachbarn im 2. Stock vor ihrer Tür eine Videoüberwachungskamera haben.“ Ein genauso unterhaltsamer Text wie Alexander Häussers „Käsetheke“ oder Simone Buchholz‘ Krimi „Schweinheim“, der vom Mord an einer Prostituierten in einer Provinzstadt erzählt. Berührend sind die Gedichte von Irena Stojanova, irritierend die Mundartgeschichte von Luitgard Hefter. Trauriges bietet der Romanauszug „Freier für Charly“ aus Stefanie Vierecks Geschwister, der im Bahnhofsmilieu spielt.

Die thematische Palette des „Ziegels“ ist breit; inhaltliche Vorgaben der Herausgeber gab es nicht. Die Unterteilung in fünf Kapitel ergab sich aus den Texten. Und so laden Überschriften wie „Versuch, einen Vater zu haben“ oder „Geografie der Empfindungen“ zum Lesen ein. Beim heutigen Wettbewerb im Literaturhaus sollen die Leser entscheiden, wer die mit 500, 250 und 150 Euro dotierten Preise der Kulturbehörde bekommt. Unter anderem treten Stefan Beuse, Ina Bruchlos, Annette Schwarz und Marc Wortmann gegeneinander an. Beatrice Wallis

„Ziegel, Hamburger Jahrbuch für Literatur 9“. Hamburg 2004, 680 S., 14,80 Euro Ziegelfest: heute,19 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38