Faule Nullen

Vom Segen der Konsumbilder: Tilman Knops winzige ironiegetränkte „Commercial“-Siebdrucke im Westwerk

Bilderregen, jeden Tag. Plakatwerbung auf der Straße, Werbeunterbrechungen in Magazinen und Fernsehen: Jeden Tag begegnet uns eine kommerzielle Flut von Bildern, der wir nicht entkommen. Tilman Knop aber erfreut sich am Segen der Konsumbildproduktion und arbeitet ihr entgegen. Alltäglich wählt er selig aus und begegnet ihr mit Ironie. Er macht ein Bild, jeden Tag. Sieben mal sieben Zentimeter messen die tuchbespannten Siebdrucke, die jetzt im Westwerk ausgestellt sind; sie wirken wie belanglose Nichtigkeiten. Und doch strotzen die kleinen Formate vor subtiler Kommentargewalt.

Knop begann seine Serie 1994, und sie misst inzwischen 1887 Exemplare. Chronologisch an der Wand aufgereiht und nummeriert, besitzt jedes Bild auch eine eigene Schachtel. Im Westwerk präsentiert der gebürtige Hamburger eine Auswahl seiner „Commercials“ genannten Serie. Jedes von ihnen ist bis ins Detail liebevoll bedacht und zeigt den – teils selbstironischen – Blick des Künstlers auf die Welt: Ist man nach einer Weile ganz verliebt in Knops kleine Quadrate, empfindet man es plötzlich als anstößig, wenn ein achteckiges Bildformat auftaucht. Aber dieses zeigt eine schematische Falzung zur Kiste, die sich dann als unmöglich entpuppt: Man bemerkt den Kommentar zum eigenen Format.

Den eher eindimensionalen Blick der IT-Magnaten auf die eigene Branche offenbart dagegen ein Bild mit Lichtreflexen namens Kurzsichtiger Börsenmaklerblick. Auch Kurioses hat Knop entdeckt und in die eigene Produktion hineingeschummelt: In einem Supermarkt-Flyer beworbene Wurstenden, entlarvt er in ihrer Körperlichkeit als liegenden Akt. Auf der kleinen Zeichnung eines Flusstals und der umliegenden numerierten Bergspitzen spielt er mit dem Motiv der Serie und titelt Eins bis Acht. Pennende Nullen wiederum erinnern an abstrakte Malerei und verweisen humorig auf das Wesen von zwei quer gestellten, aufeinander liegenden Nullen.

An Leonardo da Vincis Studie menschlicher Proportionen erinnert ein übergewichtiges Mädchen, umgeben von mondrianscher Farbflächenteilung. Ein realer Mensch entspricht eben nicht immer dem Renaissance-Ideal. Und so reiht sich eine Idee an die Nächste. Nicht jedes Bild landet einen Treffer, aber „wenn eines Scheiße ist, so ist‘s wenigstens klein“, sagt der Künstler.

Eine nicht zusammenzufassende Vielfalt von Bildern, aus der Welt genommen und wieder in sie hineingeworfen. Erklärt das alles den Alltag des Tilman Knop? Nein, aber diese Serie spielt dem gewohnten Blick mit Ironie subtile Kommentare entgegen. Torsten Bruch

Di–Do 15–20, Sa/So 14–19 Uhr, noch bis 23. 1., Westwerk