Kein Anschluss bei Hartz IV

Panne bei Arbeitslosengeld II: Mutter eines Säuglings erhielt keine Krankenversicherungskarte. Krankes Baby blieb unversorgt. Zuständige Arge-Dienststellen sind telefonisch nicht erreichbar. Vollständige Adressen gibt es erst in den nächsten zwei Wochen

von Renate Kiesselbach

Dass es nicht ohne Pannen bei der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II (ALG II) zugeht, war zu erwarten. Es gibt aber Fehler, die nicht passieren dürfen. Mitarbeiter des Kinder- und Familienzentrums (KifaZ) in Schnelsen-Süd berichten von fünf Familien, die mit dem Start des Hartz IV-Gesetzes am 1. Januar ohne gültige Krankenkassenkarte dastanden. Besonders dramatisch war das für eine allein erziehende Mutter, deren drei Wochen altes Baby dringend wegen Durchfall behandelt werden musste.

„Der Kinderarzt machte Theater und wollte die Frau und ihr Kind erst nicht behandeln“, berichtet Ulla Kutter, Sozialpädagogin im KifaZ. „Dann musste sie die Medikamente für das Baby und den vierjähigen Sohn selber bezahlen, obwohl sie noch gar kein ALG II bekommen hatte.“ Das Sozialamt Eidelstedt war für die 25-Jährige nicht mehr zuständig. Und die fortan verantwortliche Arbeitsgemeinschaft (Arge) in Eidelstedt hatte nicht vermocht, die Frau rechtzeitig neu bei der Kasse anzumelden. Ohne gültige Karte aber traute diese sich auch nicht, einfach in ein Krankenhaus zu gehen.

Die Bemühungen der Schnelsener KifaZ-Mitarbeiter, mit dem Griff zum Telefon Abhilfe zu schaffen, waren vergeblich. „Die Arge-Eidelstedt ist schlicht nicht zu erreichen“, so Kutter. Selbst unter der zentralen Hotline (24 85 19 99) sei nur eine Mitarbeiterin zu sprechen gewesen, die den Vorfall zwar empörend fand, aber nicht helfen konnte. Der einzige Tipp, bei der Arge vorbeizugehen und in der Sprechzeit von acht bis 13 Uhr auf eine Beratung zu warten, sei für eine Mutter mit krankem Säugling „nicht zumutbar“, fand auch die Frau am Telefon.

Im Geschäftszimmer der Eidelstedter Ortsdienststelle lief nur ein Anrufbeantworter. Und auch ein Notruf per Fax blieb ohne Antwort. Am 7. Januar erhielt die Frau schließlich eine Vorabzahlung von 80 Euro an der Kasse des Ortsamtes, die schnell für Pampers und Medikamente verbraucht waren. Erst nach zehn Tagen intensiven Drucks durch das KifaZ konnte der Fall dann geklärt werden.

Wegen Problemen mit den ALG-II-Bescheiden meldeten sich zahlreiche Familien im KifaZ-Schnelsen, berichten dessen Mitarbeiter. Einige Bescheide enthielten weder Telefonnummer noch Adresse. Die Telefonnummern der 25 über die Stadt verteilten Arge-Dienststellen gehörten dringend veröffentlicht, verlangt das KifaZ.

Doch dies ist offenbar leichter gesagt als getan. Die taz kam zwar am Freitag mühelos bei der Hotline durch. Doch auch die erreichte Mitarbeiterin konnte keine Nummern nennen. Inzwischen sei das Problem der fehlenden Krankenversicherung aber bekannt. „Wir leiten die Fälle per Mail mit der Bitte um sofortige Bearbeitung an die Arge weiter“, so die Telefonberaterin. Sie empfahl auch, in die Arge-Sprechstunde zu gehen und dort zu bitten, die Kasse anzurufen. „Die telefonische Erreichbarkeit der Arge war in den ersten Tagen sehr schwierig“, räumt Pressesprecher Uwe Ihnen ein. Dass Problem sei, dass in der Dienststelle teilweise noch gebaut werde und Mitarbeiter aus zwei Behörden zusammengezogen wurden. Die 25 Arge-Standorte seien über die Stadt verstreut, teilweise in Orts- und Arbeitsämtern, teilweise an neuen Standorten. Diese hätten mitunter noch keine Telefonzentralen, weshalb eine vollständige Liste mit Nummern und Adressen erst in den nächsten 14 Tagen publik werde.

Sprecher Ihnen geht davon aus, dass die ehemals übers Sozialamt krankenversicherten Personen einen Versicherungsschutz haben. „Die Arge muss die Personen nur bei der Krankenkasse anmelden.“ Aber mitunter dauere es, bis die neue Karte zugestellt werde.

Die KifaZ-Mitarbeiter befürchten indes, dass manche ALG-II-Empfänger gar nicht merken, dass ihre Karte nicht gültig ist und die böse Überraschung erst beim Arztbesuch erleben.