Einzige Waffe: der Tanz

Politisch total korrekt und dabei völlig sehenswert: Das HipHop-Musical „Silent Battle“ wurde im Bürgerhaus Oslebshausen uraufgeführt

Es duellieren sich mit Hochgeschwindig-keitsgereime der Böse und der Gute

Bremen taz ■ Die Bremer West Side ist in Oslebshausen. Und die Story funktioniert so wie einst in New York: durch ihre Perspektivlosigkeit schnöde verrohte Jugendliche rotten sich zu Gangs zusammen, und damit das nicht so langweilig ist, hasst und bekämpft man einander. Daraus ist jetzt ein „Gesamtkunstwerk der HipHop-Kultur entstanden“, wie Ralf Jonas meint, Geschäftsführer des Bürgerhaus Oslebshausen. 22 Menschen haben ein Jahr lang unter der Leitung von Breakdance-Weltmeister Arton Veliu an dem Musical „Silent Battle“ gearbeitet. Kosovo-Albaner sind ganz viele dabei – und sie treffen auf Menschen aus Montenegro, Mauretanien, Polen, Deutschland, Philippinen, Afghanistan. Wie dann der „Silent Battle“ während der Uraufführung ausgetragen wird? Da es sich auch um Sozialpädagogentheater für Projektfördermittel handelt, bei dem aus Verachtung Liebe, aus Vorurteilen Verständnis wird, kommt als Waffe nur der Tanz zum Einsatz. Ein politisch total korrektes Unterfangen gegen den Triebstau. Das hat schon immer funktioniert.

HipHop wird in Oslebshausen ähnlich abgefeiert, wie wir das aus den Musikclips kennen: gut trainierte, wohl geformte, nicht so üppig bekleidete, richtig schöne Körper, die richtig schöne Bewegungen vollführen – inszeniert als rasante Choreografie artistisch geformter Bewegungslust. Die verfeindeten Gruppen stehen sich auf der Bühne gegenüber. Um gegeneinander anzutreten, versuchen sie, die Moves der Gegner zu übertrumpfen oder zu persiflieren. Mit atemberaubender Geschwindigkeit sind zu erleben: Pirouetten auf dem Kopf, auf den Ellenbogen, auf dem Rücken und auf dem Po. Breakdance! Er hat viel damit zu tun, den eigenen Körper in eine Risiko-Situation zu bringen, wo er sich behaupten, gewinnen muss. Das Ensemble greift auf Bauch- und Flamenco-Tanz zurück, aber auch auf Techno-, Robot- und Modern-Dance. Dem Erfindungsreichtum sind keine Grenzen gesetzt, man darf nur die wichtigsten Referenzen des Styles nicht verlieren. Die Bewegung, die Dramatik, das Tempo, der Rhythmus sind die stimmigen Elemente dieser durchweg sehenswerten „Silent Battle“. Die als „West Side Story“ natürlich nicht ohne Romeo & Julia auskommt. In einem sympathisch scheuen Pas de deux lernen sie einander kennen, lieben und anfassen. Und da der Tanz eh alles erzählt, wird in der Aufführung auf alle Dialoge verzichtet.

Zu HipHop gehört auch DJing. Also scratcht und mixt Sylejman Arapi einen spannungsreich groovenden, pompös aufbrausenden Multikulti-Sound. Zusammen mit dem Lichtdesign, Nebel, Stroboskop-Geblitze: ganz große Disco. Fehlt noch der Rap. Also duellieren sich mit Hochgeschwindigkeitsgereime der böse MC Spezial und der gute MC Big le Basti. Weiter zum HipHop gehört natürlich das Skaten. Das muss aber ausfallen, da die Bühne schon menschenübervoll ist. Und die Klamotten? Schlabber.

Explosive Themen wie Drogen, sexueller Missbrauch und kulturelle Heimatlosigkeit sind vorsichtshalber ausgeklammert worden. Man solle halt erkennen, so Ralf Jonas, dass Lebenshaltung und Herkunft egal seien, wenn alle tanzbegeistert sind. Also alle Jugendliche direkt von der Straße weg zu einer monumentalen HipHop-Musicalproduktion ins Weserstadion verfrachten? Wer würde dann noch die Bankkauffrau- und Schreiner-Lehre absolvieren? Eben das „Silent Battle“-Team. Fast alle Mitwirkenden stehen nicht im Gang-, sondern im Berufsleben und sind diszipliniert genug, erst nach Feierabend wieder so ’ne Lust aufs Tanzen auszuleben.

Jens Fischer

Weitere Aufführungen von „Silent Battle“: 29 Januar, 20 und 22 Uhr, Bürgerhaus Oslebshausen