Die Schulpolitik von CDU und FDP ist verlogen und altbacken
: Skandinavische Träume

In Schleswig-Holstein macht das bürgerliche Lager gerade Politik aus dem vorigen Jahrhundert. Eine rote und eine grüne Hand schlagen ein, um irgendetwas Obskures zu besiegeln. Optisch steht das SED-Parteiemblem Pate. So plakatiert die FDP. Der Terminus „Einheitsschule“, mit dem die CDU gegen die rot-grünen Schulpläne im Norden mobil macht, ist alt, uralt. Er nutzte der Adenauer-Union als Kampfbegriff – nur wenig nach dem Zweiten Weltkrieg.

Wer soll diese Kalte-Kriegs-Appelle verstehen? Die armen Kinderlein auf dem platten Holsteiner Land, die kilometerweit durch die Gegend gekarrt werden müssen? Ohne Bus hat das dreigegliederte Schulsystem im Norden schon zahlenmäßig keine Überlebenschance. Und was sollen erwachsene Bewohner einer Region mit antisowjetischer Kampfrhetorik anfangen, die im Hier und Heute mit den skandinavischen Hightech-Nachbarn konkurrieren? Mit Schweden und Finnland etwa, deren Kreativpersonal aus angeblich gleichmacherischen Einheitsschulen stammt – die, wie jeder weiß, als die besten Schulen der Welt gelten.

Die Schulkampagnen von FDP und CDU im Norden sind ein Anschlag auf den Verstand, sie sind verlogen, altbacken – und offenbaren ein Dilemma. Die CDU verfolgt mit dem mutmaßlich wichtigsten Thema der kommenden Bundestagswahl, dem Zukunftskomplex Familie/Kinder/Schule, einen wirren Kurs mit Instrumenten der 1950er-Jahre. Will sie aber Frauen zum Kinderkriegen ermuntern, braucht sie Lösungen für das 21. Jahrhundert. Dazu gehören Ganztagskindergärten und -schulen, die Frauen bis nachmittags den Rücken für den Job frei halten. Diese SPD-Idee hat Merkel bereits stillschweigend kopiert. Dazu zählen aber genauso moderne Schulen, die Bildungskarrieren nicht schon mit zehn Jahren zementieren und Kinder individuell betreuen, sprich: Schulen skandinavischer Prägung mit später Selektion. Das kann Merkel nicht zugeben. Weil sie hier die echten Konservativen Koch und Stoiber gegen sich hat. Und weil die Bildungsfrage der letzte Politikbereich ist, bei dem sich Differenzen zur SPD darstellen lassen. Schleswig-Holstein ist dafür das Testfeld – nein: das Kampfgebiet. CHRISTIAN FÜLLER