Angst beherrscht die Wahlvorbereitung

Die irakische Regierung legt einen Sicherheitsplan für den 30. Januar vor. Die Namen vieler Kandidaten auf den 111 Parteilisten sind nicht bekannt, weil sie sich vor Anschlägen fürchten. Und Wahlhelfer verheimlichen im Bekanntenkreis ihre Tätigkeit

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Wie kann ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet und doch noch frei gewählt werden? Das ist die widersprüchliche Aufgabe der irakischen Übergangsregierung zwei Wochen vor den Wahlen zu einem Übergangsparlament am 30. Januar. Am Wochenende veröffentlichte sie nun einen Sicherheitsplan, um die Möglichkeit von Anschlägen einzugrenzen.

Rund um den Wahltermin wird ein dreitägiger Feiertag angesetzt. Am Wahltag selbst wird die Bewegungsfreiheit von Fahrzeugen eingeschränkt, um die Wahllokale vor Autobomben zu schützen. Um die 5.000 Wahllokale sollen drei Sicherheitsringe gezogen werden. Die US-Armee wird mit einer Art schnellen Eingreiftruppen bereitstehen, um die Arbeit der auf 100.000 Mann aufgestockten irakischen Polizei zu unterstützen.

In vier Gebieten, die allerdings nicht namentlich genannt werden, werden die Wahlen trotzdem nur eingeschränkt stattfinden. Wahrscheinlich handelt es sich unter anderem um die westliche Anbar-Provinz, in der sich die Städte Falludscha und Ramadi befinden, sowie um die nordirakische Stadt Mossul. Dort sollen „sichere Wahlzentren“ eingerichtet werden, wie Abdul Hussein Hendawi, der Chef der unabhängigen Wahlkommission, ankündigte, ohne jedoch weitere Einzelheiten zu nennen.

Ob diese Maßnahmen allerdings eine sicherere Wahlatmosphäre schaffen, bleibt zweifelhaft. Die Angst vor Anschlägen ist derzeit so groß, dass das Konzept der „geheimen Wahl“ im Irak eine völlig neue Bedeutung bekommen hat. Bisher weigern sich zahlreiche Kandidaten aus Sicherheitsgründen, ihre Namen offen zu legen. Die Wahlberechtigten können zwischen 111 Parteilisten wählen, oft ohne zu wissen, wer darauf steht und sie am Ende im neuen irakischen Parlament vertreten soll. Außerdem wagen es nur wenige der Kandidaten, die namentlich bekannt sind, öffentlich Wahlkampf zu machen, aus Angst, einem Mordanschlag zum Opfer zu fallen. „Dass die Namen vieler Kandidaten nicht bekannt sind, ist sicherlich nicht ideal, aber es ist verständlich, dass diese um ihr Leben fürchten“, beschreibt ein ausländischer Wahlberater, der nicht namentlich genannt werden will, die absurde Situation.

Die Identität der Kandidaten ist nicht das einzige Geheimnis dieser Wahl. Bisher wissen die Iraker nicht, wo sie wählen gehen sollen. Der Ort der Wahllokale wird aus Angst vor Angriffen noch geheim gehalten und erst eine Woche vor der Wahl veröffentlicht. Viele Wahllokale werden voraussichtlich in Schulen eingerichtet. Daher breitete sich in den letzten Wochen Panik unter den Eltern aus, nachdem Aufständische Attentate auf alle Einrichtungen angekündigt hatten, in denen die Urnen aufgestellt werden.

Auch die 6.000 Helfer der unabhängigen irakischen Wahlkommission stehen an vorderster Front des Kleinkriegs. Sie werden bedroht, angegriffen, entführt oder getötet. Ein Beamter der Wahlkommission beschreibt die Wahlhelfer gar als eine Art „Untergrundbewegung“. Für 200 Dollar monatlich riskieren sie ihr Leben. Viele wagen es nicht, ihren Freunden, Nachbarn und selbst der eigenen Familie von ihrem neuen Job zu erzählen. Manche übernachten nicht zu Hause, um ihre Angehörigen nicht zu gefährden. Allein letzte Woche gab es Anschläge auf Wahlhelfer in Basra, Baquba und in Diyala. In vielen Fällen wird erst nach dem Tod die wahre Identität des Wahlhelfer veröffentlicht, wenn die Wahlkommission eine Todesanzeige in den irakischen Tageszeitungen schaltet, in der es dann heißt: „In einer heiligen Mission zum Märtyrer geworden.“