„Männer brauchen Orte zum Wohlfühlen“

Der frisch gekürte Männerpfarrer der evangelischen Kirche von Westfalen, Dieter Rothardt, über neue Männer in der Küche, Väterfestivals mit vielen Fans und warum Männer einen heimeligen Rückzugsort benötigen

taz: Sie wurden am Freitag als Männerbeauftragter eingeführt. Sind jetzt Küche, Kirche und Kinder auch für Männer obligatorisch?Dieter Rothardt: Die drei K‘s für Männer – also bei mir persönlich bin ich mit Kirche und Küche auf jeden Fall dabei. Wir können uns über Kochrezepte unterhalten, da bin ich gut. Kinder interessieren mich auch, ich habe aber keine eigenen.

Ich meinte die Männer in ihrer Gemeinde.

Das Kinder-K ist neu, aber die Männerarbeit ist in der Kirche ein sehr altes Gewächs. Am Freitag lud mich jemand zum 125-jährigen Geburtstag seiner Männergruppe ein. Die Wurzeln gehen auf die Zeit der Industrialisierung im vorletzten Jahrhundert zurück, als sich auch andere Vereine organisierten, zum Beispiel die Arbeiterschaft. Jetzt haben wir das Thema Väter und Kinder entdeckt, es gibt Kollegen, die sehr engagierte Workshops durchführen, am Himmelfahrtstag gibt es in Hemer ein Väterfestival mit mehreren tausend Teilnehmern. Das Rollenverständnis hat sich geändert.

Wie sieht denn die Väterarbeit heute konkret aus?

Die Gruppen auf Gemeindeebene, vor allem ältere Männer, müssen unterstützt werden. Ich will Raum schaffen für ehrenamtliches Engagement. Die zweite Zielgruppe sind „neue Männer“, wie finde ich meinen Weg, meine Rolle in der Partnerschaft. Die Zeiten haben sich geändert und Männer suchen Orte, an denen sie sich treffen können, wo sie sich aufgehoben und beheimatet fühlen.

Klingt, als litten ihre Männer unter einem Matriarchat in der evangelischen Kirche.

Nein, natürlich sind Frauen wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht gleich vertreten. Das Zahlenverhältnis ist auch bei uns nicht ganz ausgeglichen, zum Beispiel auf der Ebene der Superintendenten. Wir haben natürlich Frauenbeauftragte, es gibt Gender-Training für alle Mitarbeiter. Wir haben starke Frauen.

Und schwache Männer?

Die Frage stellt sich ja, wo bleiben die Männer? Frauen sind schon länger dabei, ihre Spiritualität, ihren Weg zum Glauben zu erkunden. Wie kann man das als Mann erlangen, ohne das Patriarchat zu restaurieren und ohne das man sich von den Frauen sagen lässt, was die eigene Männerrolle ist. Wir wollen eine selbstbewusste, partnerschaftliche Rolle als Mann in der Kirche spielen.

Wie sind die Reaktionen der Männer? Viele haben Ängste vor seltsamen Selbsthilfe-Gruppen.

Das kommt darauf an. In einer durchschnittlichen Gemeindegruppe gibt es sicherlich Vorbehalte, wenn das alles zu selbsterfahren-bezogen ist. Wir müssen Formen finden, die Männer akzeptieren können. Auf der anderen Seite habe ich im letzten Jahr mit Arbeitern von Opel und aus dem Bergbau gearbeitet und da gibt es großes Interesse. Sie wollen Familie und Beruf vereinbaren und diese Frage bewegt viele.

NTERVIEW: ANNIKA JOERES