RVR ist kein Freizeitjob mehr

Der Regionalverband hat sein neues Parlament auf Ruhrgebiet und Verfassung vergattert. Wolfgang Kerak wurde Vorsitzender. Schon in der ersten Sitzung zeigte sich, dass die ruhigen Tage vorbei sind

AUS ESSENPETER ORTMANN

Bereits die erste Abstimmung im neuen Ruhrparlament des Regionalverbandes Ruhr (RVR) ging in die Hose. Das Vorschlags-Paket zum Vorsitzendem und seiner Stellvertreter, schön nach Parteienproporz verteilt, wurde erst einmal abgelehnt. Die Zeiten, in denen sich zwei Volks-Parteien bereits vor dem öffentlichen Votum verständigten, sind vorbei. Die kleinen Fraktionen von Grünen, PDS und FDP machen mehr Mühe – die Vertreter der Kommunen und Landkreise gingen erst mal Kaffeetrinken. Erst als Interims-Verbandsdirektorin Christa Thoben (CDU) wütend wurde: „Kommen Sie bitte jetzt sofort zur Abstimmung“, quälte man sich in den Saal zurück und nahm das Paket im zweiten Wahlgang an – mit einer ungültigen Stimme.

Wolfgang Kerak (SPD) aus dem Kreis Unna ist neuer Vorsitzender der Verbandsversammlung. Sein Vorgänger, der Essener Hanslothar Kranz (CDU), ist 1. Stellvertreter, auch das ein Zeichen der veränderten politischen Gewichte im RVR. Weitere Stellvertreter wurden die Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) aus Mülheim und Elisabeth Hanke-Beerens (Grüne) aus dem Kreis Wesel. „Ich wünsche Ihnen sehr viel Freude an dem Amt.“ Norbert Lammert, CDU-Chef im Ruhrgebiet, war einer der ersten Gratulanten.

Für die Nachfolge von Thoben ist immer noch der ehemalige NRW-Städtebauminister Christoph Zöpel (SPD) im Gespräch. Doch der will sein Bundestagsmandat behalten, den Verbandsdirektor nur als Nebenjob geben. „Das sollte machbar sein“, sagt Martina Schmück-Glock (SPD), schließlich habe der Direktor ja einen Verwaltungsstab zur Verfügung. Für Neuling Wolfgang Freye (PDS) undenkbar: „Mit uns ist das nicht zu machen, das ist ein Fulltime-Job.“ Auch der Essener Kulturdezernent Oliver Scheytt ist noch im Rennen. „Wenn Zöpel zurückzieht, ist das eine Option“, sagt Schmück-Glock, die mit Scheytt bereits telefoniert hat.

Auch NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) kam zu Wort. „Sie verfügen jetzt über eine moderne und zeitgemäße Organisationsstruktur, nutzen sie ihr Mandat“, sagte er und verteilte ein ungewöhnliches Bonbon. Ab 2007 sei die Region wieder in Strukturförderfonds der EU. „Das steht fest“ sagte Steinbrück, als er die ungläubigen Gesichter bemerkte. Die Höhe der Fördermittel sei allerdings noch unklar. Den Strukturwandel nur über die Dienstleistungsgesellschaft zu schaffen hält der Ministerpräsident für falsch, das gehe nur mit produzierendem Gewerbe. Und mit Forschung und Entwicklung, die durch Clusterbildung im Ruhrgebiet zu einer kritischen Masse führen soll. So könne die Region im Wettstreit der Regionen bestehen. „Mit Innovation gegen die Mongolei“, nennt Steinbrück das. Dann fokussiert sich sein Blick wieder auf die Problem-Stadtteile im Revier. Es gäbe viele, die regelrecht abzustürzen drohten: „Wenn wir da nichts unternehmen, kommen die Probleme über die Sozialausgaben wie ein Bumerang zurück.“

Die Abgeordneten spendeten artig Beifall, gehen zum Tagesgeschäft über. Drucksache 11/665: Der Duisburger Beirat der Worldgames 2005 will Aufsichtsrat werden. Der RVR hält dort 10 Prozent, muss also zustimmen. Die CDU befürwortet. PDS und Grüne wissen nichts über den Vorgang – Antrag abgelehnt. Die Zeiten haben sich geändert beim neuen RVR.