ausgehen und rumstehen
: Einen Wodka Quitte, bitte: Verschleiße deine Jugend

Schon der Mittwoch und der Donnerstag schlugen entschlossen mit Vergnügungen auf mich ein und bissen sich fest, um am Freitag schließlich alles lahm gelegt zu haben. Wir hatten im Dr. Pong herumgelungert, hatten den Tischtennisball um uns herum klackern lassen und uns an dem Satz entzückt: „Einen Wodka Quitte, bitte“. Wir hatten „cheap shit“ im White Trash nachgeschüttet, bis die Musik wie ein einziger Brei klang. Am nächsten Morgen wachte ich betrunken auf und wankte zum Wasserhahn. Zu ausgelaugt, um wie geplant des Abends im Hebbel am Ufer Noblesse Oblige zu begutachten. Ich blieb also zu Hause und schaute am Fenster den aufgedrehten Ausgehvorbereitungen der Menschen in den gegenüberliegenden Wohnungen zu.

Am Samstag hielt ich es nicht mehr aus, ich hungerte nach Geselligkeit. Es mussten wieder Kapriolen geschlagen werden. „Zum Ausklang des Tages“ erklang die Nationalhymne im Deutschlandfunk, höchste Zeit sich zu bewegen. Auf zum Magnet Club, um das Ausgehgefühl von vor ein paar Jahren wachzurufen.

Janne und ich schaukelten uns selbstzufrieden mit Niederträchtigkeiten und Schadenfreude gegenüber Abiturienten hoch, später wechselten wir zu sich aneinander reibenden Pärchen und dogmatischen Indiepoppern in Bestlaune. Ich schubste einen Freund zur Begrüßung, er schwankte angetrunken gegen die Umstehenden und sagte: „I smell disaster. Aber da muss noch mehr in mich rein.“ Ein Junge lehnte den Kuss eines Mädchens ab. Später sah ich sie mit gebrochenen Flügeln und leerer Bierflasche an den Klokacheln lehnen.

Gern hätte ich ihr ein Trostpflaster übers Herz geklebt. Am besten gepaart mit ein paar rührseligen Lebensweisheiten, irgendwie aus dem Alkoholnebel meines Kopfes geschüttelt. Aber es kamen nur Sätze wie diese: Die Sehnsucht gibt nur blaue Flecken. Oder: Das Leben ist kein Zuckerschlecken, und die Hoffnung stirbt niemals. Wir lassen schließlich alle nicht locker. Wir legen es schließlich alle drauf an, wir lassen nichts aus, wir verleiten uns. Glaub mir! Und lass das mit den Tränen! So dachte ich zu dem Mädchen hin, spürte Schamesröte, der Kopf wurde noch heißer, als er es von den alkoholischen Getränken sowieso schon war. So ließ ich den Ausbruch bleiben und schwieg vorsichtshalber.

Es wurde Zeit, an einen anderen Ort zu gehen. Ich war bereit zu mehr Verschleiß! Auf dem Weg zum Rio, auf den Straßen, auf den Bürgersteigen: Stoßweise Einbildung von Hochmut und Stärke. Unsere Schuhe lärmten – und die Kälte der Luft schien sie noch lauter schallen zu lassen. Kaum angekommen, galt es sofort zu tanzen und den klebrigen, heißen Druck anderer Körper zu spüren. Meine Bande schrie nach mir, die Münder am Ohr, ein heißer Hauch an der Wange. Man hätte nach Hause gehen, es dabei belassen können – aber die Sucht mehr zu sehen: Also weiter ins Cookies, nur kurz vorbeischauen. Halb sieben und eine Schlange mit traurigen Abgewiesenen vor der Tür. Endlich drinnen erste Leichen, aschfahle Gesichter, noch mehr Körperkontakt, Scherbenhaufen, dazu schwer pochende Musik, Jagd auf Menschen, Tanzende auf der Bar – irgendwie kam nur noch wenig bei mir an.

Es war ja schon Sonntag neun Uhr, die Sonne schien vom kahlen Himmel kalt auf die Straße herunter: Unter den Linden. Ich hätte ewig neben einem schönen Freund herlaufen können, die Stimme aufgesprungen und schrundig, die Füße wie Pudding, der Magen flau von den Aufregungen der Nacht.

JANE FRÄNZEL