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: Die wahre Münchner Tragödie

So ein Pech aber auch: Der mutmaßliche Mörder von Rudolph Moshammer ist bereits gefasst. Dabei hatten sich die Münchner Boulevardzeitungen doch schon so auf einen nachhaltigen Auflagenschub gefreut.

„Ja mei, wir werden ihn schon noch ein wenig ausschlachten“, sagt der Kollege aus der Münchner Redaktionsstube eines beliebten Boulevardblattes. Die Serie ist ja schon geplant: Wie „Mosi“ wirklich war, wie es um die Schwulen in der bayerischen Landeshauptstadt steht und was mit Daisy, dem Hund, jetzt weiter passiert. Aber nix da: Der mutmaßliche Mörder hat gestanden, sitzt hinter Gittern. Und Daisy geht es auch gut. Die Polizei bittet darum, wegen des Hundes nicht mehr anzurufen. Auch weitere Recherchen im sog. „Homo-Milieu“ und Geständnisse von männlichen Prostituierten („Ich war Mosis Sex-Sklave“) haben schlagartig ihren Marktwert verloren.

Trauernd nicht wirklich wegen des Todes des Münchner Originals, sondern wegen des schnellen Ablebens der nachfolgenden Kriminalberichterstattung, werden sich die Chefs von tz, Abendzeitung und Bild-München an die schönen fetten Jahre erinnern, die ihnen die jahrelange Jagd nach dem Mörder des Schauspielers Walter Sedlmayr beschert hat. „Davon haben wir einige Jahre lang gut gelebt“, ist aus München zu hören. Doch was bei Sedlmayr nachhaltig märchenhafte Auflagen brachte, war bei Moshammer nach drei Tagen schon beendet.

Andererseits: So viel gab es über Rudolph Moshammer offenbar doch nicht zu berichten. Anders kann man es sich jedenfalls nicht erklären, dass sich die Moshammer-Geschichten in der Wochenendpresse frappierend glichen – von der Einsamkeit des „Modezars“ über den omnipräsenten Hinweis, dass Moshammer gar kein „Modezar“ gewesen sei bis hin zum Münchner Obdachlosen mit dem Moshammer-Gedenkschild und der Bitte um eine kleine Extraspende aus Gründen der Pietät.

Dennoch: Die Menschen draußen im Lande sollten alles erfahren. So fasziniert waren die Redaktionen von der Grünwalder Mordstory, dass selbst das seriöse Deutschlandradio den ganzen Sonntag über seine Nachrichten mit der Mörder-gefasst-Meldung eröffnete. „Tageschau“ und „Tagesthemen“ machten es nicht anders, verbrämten ihren Sensationalismus allerdings mit der aufgewärmten Diskussion um die Rechtmäßigkeit von Gen-Datenbanken. Aber für den Boulevard ist das nichts.

„Letztlich gibt die Jennifer Nitsch insgesamt mehr her als der Moshammer“, räsoniert der Kollege aus München und berichtet, in der Chefredaktion sei man doch ein wenig enttäuscht gewesen ob des schnellen Fahndungserfolgs. Hoffentlich gibt es jetzt wenigstens noch einen saftigen Streit um das Erbe. KUZ