DEBATTE ÜBER NEBENEINKÜNFTE VON ABGEORDNETEN WIRD ZU ENG GEFÜHRT
: Rituelle Reinwaschung

Wie viel es zur Pflege der politischen Kultur beiträgt, Höhe und Art der Nebeneinkünfte von Abgeordneten zu veröffentlichen, ist am Beispiel Italiens zu sehen: Dass dieses Land wirtschaftsunabhängig regiert würde, wird niemand behaupten. Nun ist die deutsche Öffentlichkeit immer noch etwas empfindlicher gegenüber den Machtverschränkungen von Politik und Industrie. Aber selbst wenn die deutschen Abgeordneten ihre Steuererklärungen als Postwurfsendung verteilten, wäre damit noch nicht viel über die innere Unabhängigkeit der Volksvertreter gesagt.

Transparenz kann wenn, dann überhaupt nur die Voraussetzung einer Diskussion darüber sein, in welchen Fällen sich die Interessen der Bevölkerung gegen die Interessen der Konzerne und anderen Lobbys durchsetzen – und in welchen nicht. Ein Beispiel: In wenigen Tagen werden die Chefs der größten Pharmaunternehmen beim Kanzler vorstellig werden, um einen weiteren Angriff auf Ulla Schmidts Preisbremsen zu unternehmen. Die Empörung der Abgeordneten wird sich danach messen lassen, wer in seinem Wahlkreis eine Pharmafirma hat – und wer nicht. Wer außerdem einen Arbeitsvertrag mit einem Pharmakonzern hat, das wäre in diesem Zusammenhang sicherlich ein weiterer wertvoller Hinweis – mehr aber auch nicht.

Die Debatte über Lobbyismus und Einflussnahme der Industrie wollen aber weder die Regierungs- noch die Oppositionsparteien. Sie möchten der Öffentlichkeit lieber irgendetwas hinwerfen, das nach „Durchgreifen“ und „Ehrlichkeit“ aussieht. Hierzu eignet sich die Zuspitzung des komplizierten Themas „Korruption“ auf den leicht vermittelbaren Aspekt „Strafe“ hervorragend.

Das hat sogar die CDU bemerkt. Deshalb findet sie rechtzeitig vor dem heutigen Treffen der Fraktionsgeschäftsführer nun doch, schwarze Schafe müssten Buße tun und zahlen. In dem Augenblick, da sich einem einzelnen Abgeordneten leicht benennbares Fehlverhalten nachweisen lässt, schadet es auch dem Rest der Fraktion nicht mehr, ihn zu bestrafen. Im Gegenteil: So etwas nennt man rituelle Reinwaschung. Der Aufklärung darüber, wer aus welchen Gründen wessen Interessen vertritt, dient es nicht. ULRIKE WINKELMANN