Gewinn für die Bürgerrechte

Pro DNA-Analyse: Eine Ausweitung der Gendatei ist rechtlich kein Problem – und sinnvoll, da die meisten Sexualmörder bereits als Kleinkriminelle aufgefallen sind

Die Aufklärung des Mordfalls Moshammer hat die Leistungsfähigkeit der DNA-Analyse eindrücklich unter Beweis gestellt. Schon wenige Stunden nachdem Hautabrieb an der Mordwaffe gefunden wurde, konnte der Täter identifiziert werden. Sein genetischer Fingerabdruck war in der DNA-Analyse-Datei des Bundeskriminalamtes gespeichert.

Eine Ausweitung der Gendatei lässt sich mit dem Fall Moshammer zwar nicht begründen, schließlich war der Täter hier ja bereits erfasst. Dennoch ist es sinnvoll, den genetischen Fingerabdruck immer dann zu speichern, wenn die Polizei einen Verdächtigen erkennungsdienstlich behandelt, indem sie ein Lichtbild und einen echten Fingerabdruck aufbewahrt.

Entscheidendes Argument hierfür ist eine im Vorjahr veröffentlichte Studie des Bundeskriminalamtes. Die Untersuchung zeigt, dass fast 80 Prozent der Sexualmörder vorher mit Kleinkriminalität wie Diebstählen und Körperverletzung aufgefallen sind, jedenfalls viel häufiger als mit Sexualtaten. Es ist daher nicht sinnvoll, in der Gendatei nur Täter und Verdächtige zu speichern, die erhebliche Straftaten und Sexualtaten begangen haben. Im Gegenteil gilt: Wer einen Vergewaltiger oder Sexualmörder finden will, muss nicht zuletzt bei den Dieben und Schlägern suchen. Dabei geht es nicht darum, Täter nach dem ersten Ladendiebstahl zu erfassen, sondern nach dem fünften oder nach dem zehnten Vergehen. Der durchschnittliche Sexualmörder hatte, der BKA-Studie zufolge, 22 Vorstrafen in fünf Deliktsbereichen.

Auch das Bundesverfassungsgericht dürfte sich diesen Erkenntnissen nicht entziehen können. Als es im Jahr 2003 die Gendatei grundsätzlich absegnete, zeigte sich das Gericht zwar noch relativ vorsichtig und legte Wert auf „erhebliche“ Vortaten sowie konkret festgestellte Rückfallgefahr. Eine unverrückbare Grenze jedoch hat das Gericht hier nicht gezogen.

Dies sieht auch der Bundestag so. Denn im Jahr 2004 wurde die Speicherung auf relativ geringfügige Sexualdelikte wie Exhibitionismus ausgeweitet. Diese Maßnahme hat inzwischen auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar akzeptiert und damit eingeräumt, dass eine Ausweitung der Gendatei verfassungsrechtlich möglich ist.

Das gilt auch deshalb, weil die DNA-Datei nicht nur die Aufklärung vieler Verbrechens enorm beschleunigt, sie kann auch die Belastung Unbeteiligter stark reduzieren. Da im Fall Moshammer der tatsächliche Täter, Herisch A., sofort identifiziert war, konnte auf unzählige Befragungen, Gegenüberstellungen und Hausdurchsuchungen in der Münchener Stricherszene verzichtet werden. Wäre der Täter nicht schon in der Wiesbadener Gendatei gespeichert gewesen, hätte die Polizei vielleicht sogar einen Massengentest in dieser sensiblen Szene, in der auch viele Illegale leben, durchführen müssen. Der Fall Moshammer zeigt, dass die DNA-Datei letztlich die Belastung der Bürger durch Polizeimaßnahmen senkt und damit nicht nur ein Gewinn für die Polizei, sondern auch für die Bürgerrechte ist.

CHRISTIAN RATH