Freiheit vor Sicherheit

Contra DNA-Analyse: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird immer mehr ausgehöhlt. Eine Ausweitung der Gendatei wäre der nächste – überflüssige Schritt

Sicherheit vor Freiheit. So denken viele Politiker, die das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung seit Jahren einschränken. Ergebnis: Rasterfahndung, Schleppnetzfahndung, Videoüberwachung, Lauschangriff, Ausweitung der Telefonüberwachung bis hin zur präventiven Speicherung aller Verbindungsdaten von Telefongesprächen – und jetzt die Ausweitung der DNA-Analyse.

Dabei gibt es ausreichende gesetzliche Regelungen für den Einsatz von DNA-Tests im Strafverfahren. Jede Straftat von erheblicher Bedeutung, jedes Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gefährliche Körperverletzungen, besonders schwerer Diebstahl oder eine Erpressung können Anlass sein, vom Beschuldigten DNA-Material zu untersuchen. Die Ergebnisse werden in einer Analysedatei beim BKA gespeichert. Darüber hinaus hat mit einem erheblichem Aufwand eine Erfassung des DNA-Materials aus früheren Straftaten stattgefunden. So können oft Taten aus lang zurückliegender Zeit aufgeklärt werden.

Eins muss klar sein: Alle, die verlangen, die DNA-Analyse zu einem generellen erkennungsdienstlichen Mittel zu machen, möchten sich davon lösen, dass eine bestimmte Schwere der Straftat vorliegen muss; dass eine Prognose gestellt werden muss, ob der Täter erneut Straftaten entsprechender Schwere begehen könnte. Zudem würde künftig die Polizei und nicht mehr ein Richter entscheiden, ob eine DNA-Analyse durchgeführt werden darf oder nicht.

Bei der Diskussion darf aber nicht vergessen werden, dass es sich bei der DNA-Analyse um einen staatlichen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen handelt. Eingriffe in dieses Recht dürfen nur im geeigneten und erforderlichen Umfange unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durchgeführt werden. Diese Grundsätze wurden bei der Entwicklung der rechtlichen Regelungen zur DNA-Analyse im Strafverfahren berücksichtigt und haben zu den jetzt geltenden Regelungen geführt.

Die DNA-Analyse-Daten sind nicht vergleichbar mit dem herkömmlichen Fingerabdruck. Auch aus dem untersuchten nichtkodierenden Teil der DNA lassen sich Zusatzinformationen gewinnen zu Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft und möglicherweise einzelnen Krankheiten wie Diabetes.

Nach wie vor sehen daher die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder die Erweiterung des Einsatzes der DNA-Analyse kritisch und haben sich zuletzt im Sommer 2003 dafür ausgesprochen, die jetzt vorgesehenen grundrechtsichernden Verfahrensregelungen beizubehalten.

Die geltenden Regelungen haben sich in der Praxis bewährt. Wenn es zu Pannen gekommen ist, lag es bisher nicht an den gesetzlichen Regelungen, sondern menschliche Fehler führten oft dazu, dass ein Fahndungserfolg erst verspätet möglich wurde. Es gibt also keine tatsächlichen Fälle der Praxis, die es rechtfertigen würden, an dem rechtlichen Gerüst der DNA-Analyse im Strafverfahren zu rütteln. Das gilt auch und gerade für den jetzt diskutierten Moshammer-Fall.

SVEN HOLST