Mesić entscheidet Stichwahl für sich

Bei den kroatischen Präsidentschaftswahlen siegt der amtierende Staatschef mit einer deutlichen Mehrheit

SPLIT taz ■ Kroatiens neuer Präsident ist der alte: Bei den Stichwahlen vom vergangenen Sonntag sprachen sich fast 66 Prozent der Wähler für Amtsinhaber Stipe Mesić aus. Das lag nicht nur an der Gegenkandidatin Jadranka Kosor, der es mit einem Ergebnis von 34 Prozent offenbar nicht gelungen ist, die konservativen Stammwähler und den rechten Rand der kroatischen Gesellschaft ausreichend hinter sich zu bringen. Die Wahl zeigt, dass der Querdenker Mesić über eine solide Popularität verfügt, auch wenn die Beteiligung mit knapp 50 Prozent nicht allzu hoch lag.

Vor allem die Mittelschichten in den Großstädten honorierten Mesić’ humorvolle Gelassenheit und politische Standfestigkeit, in Kroatien einen demokratischen Rechtsstaat aufzubauen, der das Land zu einem Anwärter auf eine EU-Mitgliedschaft macht. Viele Wähler aus diesen urbanen Schichten hat beeindruckt, dass Mesić sich nicht erst seit seinem ersten Wahlsieg 2000 nie gescheut hat, unpopuläre Dinge anzusprechen. Damit hat er sich viele Feinde gemacht, doch die Mehrheit der Bevölkerung steht trotzdem hinter ihm.

Als einer der wenigen Politiker in Kroatien beförderte er die Rückkehr der 1995 aus Kroatien geflohenen serbischen Minderheit. Auch Kroaten müssten sich der Verantwortung für die Kriegsverbrechen stellen, die in den 90er-Jahren geschehen sind, erklärte der promovierte Jurist und forderte gegen den Widerstand selbst im eigenen politischen Lager, der Mitte-links-Parteien, die Zusammenarbeit Kroatiens mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Öffentlich entschuldigte sich Mesić für die Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg und tritt für Minderheitenrechte ein.

Diese politische Haltung Mesić’ öffnete Kroatien den Weg zu den Verhandlungen mit Brüssel, die am 17. März beginnen werden. Endlich als gleichwertige Europäer anerkannt zu werden ist eines der größten Wünsche der urbanen Mittelschichten.

Demgegenüber konnte die Gegenkandidatin Jadranka Kosor bei diesen Wählern nichts ausrichten. Zwar bemüht sich ihre Partei Kroatisch Demokratische Gemeinschaft (HDZ), die seit Anfang 2004 unter Premier Ivo Sanader wieder die Regierung stellt, um ein proeuropäisches Image. Ihr Weltbild ist aber ein völlig anderes. Will Mesić Frauen die Entscheidung bei Abtreibungen überlassen, fordert Kosor ein Verbot. Weil sich die HDZ schwer tut, den von Den Haag gesuchten Exgeneral Ante Gotovina auszuliefern und damit auch kroatische Verbrechen im Krieg 1991–95 einzugestehen, hat sie an Glaubwürdigkeit in den Städten verloren.

Mit Rücksicht auf die Verhandlungen mit der EU konnte Jadranka Kosor das eigene Lager nicht ausreichend mobilisieren, zumal die konservativen Kreise in ländlichen Gebieten ohnehin damit Probleme haben, eine Frau als ihre Kandidatin zu akzeptieren. Wie das Ergebnis zeigt, ließen sich die Wähler, die im ersten Wahlgang die Populisten von rechts gewählt hatten, nicht dazu bewegen, Kosor im zweiten zu unterstützen.

Der neue Präsident steht für ein demokratisches, Europa-orientiertes Kroatien. Das tut die Regierungspartei HDZ unter Ivo Sanader zwar auch, sie bleibt aber traditionellen Ideologien verhaftet. Kosors Wahlniederlage dürfte das Regieren nicht erleichtern. ERICH RATHFELDER