Algerien: Mehr Rechte für die Kabylei

Vertreter der Regierung und der Berberregion einigen sich auf ein Abkommen. Danach sollen die Opfer einer niedergeschlagenen Rebellion Entschädigung erhalten und die Sprache Tamazight offiziell anerkannt werden

MADRID taz ■ Algerien legt einen seiner Konflikte bei. Am Wochenende einigten sich die Vertreter der Gemeinden und Stämme aus der Berberregion Kabylei (Aarch) und die Regierung von Premier Ahmed Ouyahia auf ein Abkommen zur Beilegung einer seit 2001 anhaltenden Krise. Ouyahia akzeptiert den 15 Punkte umfassenden Forderungskatalog der Berbervertreter, die so genannte Plattform von El Kseur.

Darin ist unter anderem von einer Entschädigung der Opfer der gewaltsam niedergeschlagenen Rebellion im Frühjahr und Sommer 2001 die Rede. Die Verhafteten sollen freigelassen und die für die Übergriffe Verantwortlichen strafrechtlich verfolgt werden. Die arme Berberregion Kabylei östlich der Hauptstadt Algier soll künftig besondere wirtschaftliche Zuwendungen erhalten. Außerdem soll die Berbersprache künftig neben dem Arabischen offiziellen Status erlangen. Beide Seiten einigten sich auf die Einrichtung eines „gemeinsamen Mechanismus zur Überwachung der Umsetzung der Plattform von El Kseur“.

„Der Dialog mit den Aarch ist Bestandteil der Politik zur nationalen Aussöhnung von Präsident Abdelaziz Bouteflika“, erklärte Regierungschef Ouyahia im staatlichen Radio Chaine III. Auch der Sprecher der Aarch, Belaid Abrika, zeigte sich zufrieden: „Dieses Abkommen erlaubt es uns, von der Konfrontation zur Partnerschaft überzugehen“, erklärte er am Ende einer gemeinsamen Pressekonferenz in Algier am Samstagabend.

Der Konflikt in der Kabylei war am 18. April 2001 ausgebrochen, als ein Gymnasiast in einer Gendarmeriekaserne sein Leben verlor. Der junge Mann war im Laufe einer Gedenkdemonstration für den „Berberfrühling“ 1980 verhaftet worden. Damals ging es bereits um mehr Rechte für die Minderheit, die 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht.

Nach dem Tod des Demonstranten geriet die Kabylei monatelang außer Kontrolle. Barrikaden wurden errichtet, staatliche Einrichtungen niedergebrannt. Die Polizei schoss vielerorts scharf. Nach offiziellen Angaben verloren 126 meist junge Menschen ihr Leben. Tausende wurden verletzt. Die Wahlen in den folgenden Jahren wurden in der Kabylei boykottiert, Steuerzahlungen eingestellt. Die Aarch ersetzte nach und nach die staatlichen Behörden.

Die beiden Konfliktparteien wollen sich am 25. Januar erneut treffen. Dann wird es um einen der kritischsten Punkte gehen, um die Berbersprache Tamazight. Die Aarch verlangen, dass sie „ohne Volksabstimmung“ Verfassungsrang erhält und dem Arabischen gleichgesetzt wird. An dieser Frage scheiterten vor einem Jahr erste Verhandlungen.

„Ein schmerzhaftes Kapitel wird geschlossen, und das macht den Weg für die Rückkehr zur Ruhe und für die Entwicklung frei“, begrüßt die regierungstreue Tageszeitung El Moudjahid das Abkommen vom Wochenende. REINER WANDLER