Aus Minus mach’ Plus

LEERE KASSEN Hamburg steht vor den höchsten Steuerausfällen seiner Geschichte. Milliarden-Kredite sind nötig, doch die heißen jetzt Sondervermögen

■ Der Hamburger Haushalt belief sich 2008 auf rund 8,6 Milliarden Euro – rund 900.000 Euro mehr als noch 2006 bei der Haushaltsaufstellung prognostiziert.

■ 2009 soll das Budget laut Steuerschätzung auf 7.748, 2010 auf 7.555 Milliarden Euro schrumpfen. Bislang veranschlagt waren 8,27 (2009) und 8,84 Milliarden Euro (2010).

■ Neben der Lohnsteuer drohen bei der Körperschaftssteuer (2010: minus 240 Milliarden Euro) und der Einkommenssteuer (2010: minus 207 Millionen Euro) Ausfälle. Bei der Umsatzsteuer werden für 2010 Mindereinnahmen von 70 Millionen Euro erwartet.

VON MARCO CARINI

„Die Lage ist ernst“, „dramatische Steuereinbrüche“ drohen, die „internationale Wirtschaftskrise hat Hamburg voll erfasst“. Mit markigen Worten präsentierte Finanzsenator Michael Freytag (CDU) am Dienstag große Zahlen mit einem dicken Minus davor. Laut Mai-Steuerschätzung hat Hamburg in diesem Jahr über 520 Millionen, 2010 sogar 1,289 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als bisher ge- und verplant.

Allein bei der Lohnsteuer werden 2009 275 Millionen Euro, 2010 dann 552 Millionen fehlen. Doch damit nicht genug: Auch für 2011 und 2012 kalkuliert Freytag mit jährlichen Mindereinnahmen von jeweils 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro: „Die höchsten Steuerausfälle in Hamburgs Geschichte“.

Doch von den üblichen Krisen-Rezepten – Sparen und Tafelsilber verscheuern – will Freytag diesmal nicht wissen. Ausgaben zu streichen hieße, Hamburg „kaputt sparen“ und die stotternde Konjunktur noch mehr abwürgen. Auch weitere Privatisierungen kämen nicht in Frage: „Das werden wir nicht tun.“

Da auch Steuererhöhungen „ein tödliches Gift“ seien, bleibt nur der Weg in eine beispiellose Neuverschuldung – ein Wort, dass Freytag allerdings nicht liebt. So werde Hamburg „ein Sondervermögen“ in Höhe der zu erwartenden Mindereinnahmen – zusammenaddiert immerhin rund 4,5 Milliarden Euro – bilden, das streng von den Altschulden der Stadt abgegrenzt werden soll.

Diese faktischen Neuschulden würden einer strikten Rückzahlungsverpflichtung unterworfen: Sowie sich die Konjunktur erhole, die Steuern wieder sprudelten, setzte eine „Tilgungsautomatik“ ein, die garantiere, dass zukünftige Mehreinnahmen nicht für höhere Ausgaben, sondern vorrangig zur Schuldentilgung verwendet würden. Etwas gespart werden soll dann in den Jahren der Krise doch: Zumindest die Zinsen für die aufzunehmenden Neuschulden sollen aus den laufenden Haushalten beglichen werden.

Mit dieser „antizyklischen Finanzpolitik“ will Freytag die Umsetzung aller schwarz-grünen Projekte „im Kern“ garantieren – und damit den Fortbestand der Hamburger Modellkoalition. Die erwarteten Mindereinnahmen sollen noch in diesem Sommer in einen Nachtragshaushalt eingearbeitet werden.

Bei der Opposition löst Freytags Finanzkonzept Kopfschütteln aus. Für den SPD-Finanzexperten Peter Tschentscher ist der vermeintliche Tilgungsautomatismus nur „ein leeres Versprechen auf die Zukunft“ und „unglaubwürdig“. Statt ohne klaren Konsolidierungskurs weiterzuwursteln, müsse der Senat „die laufenden Ausgaben der Behörden effektiv begrenzen“. Zukunfts-Investitionen müssten vorgezogen werden, außerdem müsse Hamburg für eine „modifizierte Vermögenssteuer und die Einführung einer Börsenumsatzsteuer“ streiten.

Während die Linkspartei die Umleitung der Ausgaben in Projekte fordert, die „wirtschaftlich sinnvoll“ seien, kritisiert der Bund der Steuerzahler, dass zu viel Geld in die Betriebsausgaben und zu wenig in konjunkturbelebende Investitionen fließe.