Karstadts bedrohte Welt

CITY Die Warenhäuser stehen vor der Insolvenz, wenn eine Staatsbürgschaft abgelehnt wird. Bremer und Bremerhavener Mitarbeiter wollen heute in Berlin dafür kämpfen

„Die Bremer Innenstadt wurde in den letzten Jahren vergessen.“

VON FELIX ZIMMERMANN

Das Bremer Karstadt-Haus steht in diesen Tagen so fest an seinem Platz an der Obern-/Ecke Sögestraße wie seit über 70 Jahren. Es strahlt Stolz aus, eine Kathedrale des Konsums, aber das dürfte nur noch Fassade sein, seitdem Karstadt und der Mutterkonzern mit dem wohlklingenden Namen Arcandor in die Krise geschlittert ist. Die Zeit der großen Warenhäuser geht zu Ende, Arcandor steht vor der Insolvenz, 132 Karstadt-Waren- und Sporthäuser wären davon betroffen, auch die Häuser in Bremen und Bremerhaven.

Dort geben sich die Mitarbeiter kämpferisch: Heute werden 170 von ihnen nach Berlin reisen, um die Forderung ihrer Konzernspitze nach einer Staatsbürgschaft zu unterstützen. Ziel ist das Bundeswirtschaftsministerium, erwartet werden um die 5.000 Karstädter. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick hatte Bürgschaften über 650 Millionen Euro und neue Kredite über 200 Millionen Euro gefordert.

Sabine Dziadek, Betriebsrätin bei Karstadt Bremen, sagt, ohne die Bürgschaft sei die Insolvenz nicht zu verhindern, um noch mehr Druck zu erzeugen, hat sie 12.000 Unterschriften im Gepäck, mit denen die Kunden den Erhalt der Warenhäuser fordern. Am Donnerstag hat der Betriebsrat einen Termin bei Bürgermeister Jens Böhrnsen, „um mit ihm die Ansiedlungspolitik zu besprechen“, sagt Dziadek. Sie glauben an ihr Haus, sagt sie, „das Unternehmen hat eine Zukunft am Markt“, deshalb kämpfen sie, wenngleich sich angesichts der spürbaren Krise auch Angst unter den Mitarbeitern breit mache. Nur die Mai-Gehälter sind noch sicher – alles andere ist unklar.

Es ist das große Ganze, dass die Karstadt-Mitarbeiter in ihren Häusern in Deutschland bewegt, die Krise an sich, die erhoffte Hilfe vom Staat – und dann, an jedem der Standorte individuell, die Suche nach Fehlern vor der eigenen Haustüre. Dziadek sagt, in Bremen sei die Innenstadt in den letzten Jahren vergessen worden. Sie denkt an diverse Outlet-Center an der Peripherie, den Shopping-Trabanten Waterfront in Gröpelingen, die gut gefütterte Grüne Wiese. Da wurden Fehler gemacht, die Karstadt mitten in der Stadt zu spüren kommt, nicht nur in Bremen, aber eben auch dort.

Befragt man Torsten Slink dazu, der bei der Handelskammer für den Einzelhandel zuständig ist, dann stimmt er in Dziadeks Klage ein: Mehr Handel müsse in den Stadtkern, um ihn zu stärken. Ein jüngst vorgestelltes Gutachten des Bau- und Wirtschaftsressorts sieht das Heil in der Verdichtung durch den Bau eines Einkaufscenters am Ansgarikirchhof, die Handelskammer hat Selbiges in ihrem Konzept stehen. Der Hamburger-Shoppingcenterkonfektionist ECE hat bereits Interesse angemeldet, aber das schreckt die Apologeten des Konsums nicht.

Was Slink Sorgen bereitet, ist die Situation der Karstadt-Mitarbeiter; für das Haus selbst, sagt er, wird sich eine Lösung finden. Ob mit oder ohne Karstadt: Der Standort ist einfach zu attraktiv. Nur: Was heißt das Für Frau Dziadek und ihre Kollegen? Sie weiß es nicht. Vielleicht gibt es Geld vom Staat, vielleicht gehen die Häuser an Kaufhof, eine Fusion ist im Gespräch. „Oder“, fragt Dziadek, „taktieren die nur und lassen uns in die Insolvenz laufen, um sich die besten Häuser zu sichern?“ Auch das: unklar, aber das Bremer Haus müsste dann dabei sein: In der Karstadt-Familie gehört es zu den Besten.