Folterbefehl im Rechner entdeckt

Ermittlungen zu Soldaten-Misshandlungen in Coesfeld weitgehend abgeschlossen. Hauptbeschuldigter ist Unteroffizier. 30 Beschuldigte verweigern die Aussage

COESFELD taz ■ Die Untersuchungen zu Misshandlungen von Rekruten in der Bundeswehrkaserne Coesfeld sind so gut wie abgeschlossen. Hauptbeschuldigter ist ein Unteroffizier. Er soll nach Angaben des zuständigen Oberstaatsanwalts Wolfgang Schweer während einer Gefechtsübung unter anderem den schriftlichen Befehl zu einer fingierten Geiselname gegeben haben. Auch gingen zahlreiche Folterungen auf seine Anweisungen zurück. Insgesamt werden 38 Soldaten beschuldigt, an den Misshandlungen der Rekruten teilgenommen zu haben.

„Acht Beschuldigte haben die Taten eingeräumt“, sagte Schweer. Der Rest hätte vom Recht der Aussageverweigerung Gebrauch gemacht. Zu den beschuldigten Soldaten gehören ein Hauptmann, 19 Unteroffiziere und 18 Gefreite. Die Beschuldigten beriefen sich bei der Vernehmung darauf, dass sie nur einen schriftlichen Befehl ihres Unteroffiziers ausgeführt hätten. Die Polizei fand das Beweisstück auf dem Computer des befehlshabenden Unteroffiziers. Außerdem waren bei Wohnungsdurchsuchungen 160 Bilder und Videos gefunden worden, auf denen die Misshandlungen zu sehen sind. 296 Zeugen wurden bislang vernommen.

Grund für die polizeiliche Untersuchung waren Erkenntnisse, wonach Wehrpflichtige im vergangenen Jahr von ihren Ausbildern mit Wasser, Schlägen und Schwachstrom-Behandlung misshandelt worden seien. Zwischen Juni und September 2004 wurden 80 Fälle bekannt. Die Opfer schwiegen nach eigenen Angaben aus Angst davor, als „Feigling oder Schwächling“ dazustehen. Die Misshandlungen kamen im November eher beiläufig durch Aussagen unbeteiligter Soldaten der Kompanie an die Öffentlichkeit.

Insgesamt waren beim Wehrbeauftragten der Bundeswehr, Wilfried Penner, in den vergangenen beiden Jahren jeweils rund 6.000 Beschwerden von Soldaten eingegangen – die zweithöchste Zahl seit 1959, bei stetig sinkender Truppenstärke. Unter den Beschwerden sind 18 Fälle, die mit den Vorkommnissen in Coesfeld vergleichbar sind. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) warnte Anfang des Jahres dennoch davor, „die Bundeswehr unter Pauschalverdacht“ zu stellen. HOLGER PAULER