SPD-Minister werden Hardliner

NRW-Innenminister Fritz Behrens fordert DNA-Analysen für alle Straftäter – und erhält Unterstützung von Justizressortchef Wolfgang Gerhards: „Königsweg der Kriminalistik“. Grüne und FDP protestieren

VON ANDREAS WYPUTTA

In Wahlkampfzeiten setzen Nordrhein-Westfalens Sozialdemokraten auf Härte: In der Diskussion um DNA-Analysen als Mittel der Polizeiarbeit fordert Landesinnenminister Fritz Behrens (SPD) jetzt eine Ausweitung auf alle Straftäter, also auch auf Bagatelldelikte. „Ich rede über jede mögliche Straftat, möglicherweise auch über Ladendiebstahl, wenn tatsächlich Wiederholungsgefahr diagnostiziert würde, ja“, bestätigte Behrens gestern im Deutschlandfunk. Auch den so genannten „Richtervorbehalt“ will der Innenminister kippen – während bislang ein Richter Analyse wie Speicherung der Gendaten genehmigen musste, sollen künftig auch gestresste Polizisten in der Nachtschicht eine DNA-Analyse anordnen dürfen – der Gentest würde zur standardisierten „erkennungsdienstlichen Maßnahme“ und damit Polizeiroutine.

Unterstützt wird Behrens dabei vom NRW-Justizminister Wolfgang Gerhards (SPD). „Ich halte den genetischen Fingerabdruck für den Königsweg der Kriminalistik“, so Gerhards zur taz. „Ich bin bereit, seine Ausweitung bis an die Grenzen, die die Verfassung setzt, voranzutreiben.“ Vorauseilende Zustimmung signalisiert auch die SPD-Landtagsfraktion: Zwar hätten die Abgeordneten noch nicht umfassend diskutiert, so Sprecher Hans-Peter Thelen. „Ich gehe aber davon aus, dass die Fraktion auf Behrens-Linie liegt.“ Auch die CDU erneuerte ihre Forderung nach weitreichenden Gentests: DNA-Analysen hätten innerhalb der Kriminalistik eine „überragende Bedeutung“, erklärte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach. „Die Möglichkeiten dieses Instruments werden aber noch nicht ausgeschöpft.“

Neu entfacht worden war die Diskussion um eine Ausweitung der DNA-Analysen durch die schnelle Aufklärung des gewaltsamen Todes des Münchener Modemachers Rudolph Moshammer. SPD-Bundesinnenminister Otto Schily hatte sich daraufhin wie sein bayrischer Kollege Günther Beckstein (CSU) für eine Verschärfung stark gemacht. Unklar scheint aber, ob die geforderte Verschärfung überhaupt durchsetzbar ist – das Karlsruher Bundesverfassungsgericht räumt der informationellen Selbstbestimmung hohen Stellenwert ein. Auf der nächsten Sitzung der Justizministerkonferenz, die im April in Dortmund tagt, soll deshalb umfassend über den Richtervorbehalt und die Ausweitung des Straftaten-Katalogs, bei dem ein Gentest durchgeführt werden darf, diskutiert werden. „Das sind rechtlich komplizierte Fragen“, ist aus dem Düsseldorfer Justizministerium zu hören.

Kritisch äußerten sich dagegen FDP und Grüne. „Feststellung, Speicherung und künftige Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greift in das vom Grundgesetz verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein“, sagt Robert Orth, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. „Schließlich handelt es sich bei den Proben häufig nur um Verdächtige, die nie verurteilt werden.“ Neben dem Richtervorbehalt müsse deshalb „dringend“ eine gesetzliche Grundlage für Massen-Gentests geschaffen werden, fordern die Liberalen. Auch die NRW-Datenschutzbeauftragte Bettina Sokol warnte vor einer Abschaffung der richterlichen Kontrolle. „Eine DNA-Analyse ist wie eine Wohnungsdurchsuchung oder die Telefon-Überwachung ein Eingriff in die Grundrechte.“ Außerdem gebe es auch in der Rechtsmedizin Stimmen, die vor einem Überwachungsstaat warnten, sagt Sokol: „Auch mit dem von der Polizei verwandten so genannten nicht codierenden Material könnten bereits heute numerische Krankheiten wie Trisomie festgestellt werden, heißt es.“

Auf Konfrontation zu ihrem Koalitionspartner SPD gehen die nordrhein-westfälischen Grünen. DNA-Analysen seien fehleranfällig, sagt Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion. „Durch eine weggeworfene Zigarette kann schnell eine falsche Spur entstehen.“ Auch erlaubten Gentests als Routinekontrolle polizeiliche Willkür. „Da kann jeder hineingeraten, etwa auf einer Demonstration.“ Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse in jedem Fall gewahrt bleiben: „Jeden Eierdieb in eine umfassende Gendatei aufzunehmen, ist nicht verhältnismäßig.“