Rudern mit Fährmann

AUSFLUGSZIEL Über die Müggelspree in Köpenick fährt die einzige muskelbetriebene Fähre Berlins – sie ist Teil des BVG-Angebots. Ronald Kebelmann transportiert meist Touristen

■ Es gibt sechs Fähren zum BVG-Tarif. Die F 11 überquert die Spree zwischen Baumschulenweg und dem Ex-DDR-Rundfunkgelände in Oberschöneweide. Die F 12 setzt zwischen Grünau und Wendenschloss über die Dahme.

■ Interessant für Ausflügler ist die F 10 zwischen Wannsee und Alt-Kladow. Nur in der Saison und nie montags fahren in Köpenick: die handbetriebene F 24 zwischen der Kruggasse in Rahnsdorf und Müggelheim (ab 10.30 Uhr und bis mindestens 18.30 Uhr), die F 23 von der Kruggasse in Rahnsdorf zum Kleinen Müggelsee und die F21 über die Große Krampe.

VON MARINA MAI

Ganz langsam stolziert ein Graureiher über den Bootssteg. Dann schwingt er sich aufs Geländer. Ronald Kebelmann schaut dem Vogel zu, während er auf Kunden wartet. Hinter dem Bootssteg ist das Panorama von Rahnsdorf in Köpenick mit der alten Dorfkirche zu sehen.

Der Bootssteg an der Müggelspree ist Kebelmanns Arbeitsplatz. Der Mittfünfziger mit den kräftigen Oberarmen und den zum Zopf gebundenen Haaren fährt die einzige muskelbetriebene Fähre der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Gerade mal elf Ruderschläge braucht er, um von der Kruggasse in Rahnsdorf ans gegenüberliegende Ufer in Müggelheim überzusetzen. Die Müggelspree, die den Müggelsee in Köpenick mit dem Dämeritzsee in Brandenburg verbindet, misst an dieser Stelle 36 Meter. Mitfahren ist billig: Für die Überfahrt muss nur ein Kurzstrecken-Fahrschein der BVG gelöst werden.

Laut Fahrplan setzt die Fähre – es ist die BVG-Linie F 24 – jede Stunde über. Aber wenn Ausflügler winken, kommt der Fährmann. Oder er wartet einfach nicht so lange. „Kunden kommen“, sagt Ronald Kebelmann und rudert mit dem Boot auf die andere Seite. Niemand ist dort zu sehen, aber der Fährmann hat den Hund eines Anwohners anschlagen hören. Und das sagt ihm, dass Fremde in der Einöde unterwegs sind. Fremde – das heißt Ausflügler. Und Ausflügler sind Kunden für Kebelmann.

Die zwei jungen Männer kommen aus Köln und sind Berlin-Touristen. Ein Tag Entspannung vom prallen City-Leben steht an diesem Tag auf ihrem Programm. Sie sind mit den Rädern in Köpenick unterwegs. Dass hier eine Fähre über ein Fließ führt und das Boot noch dazu von einem Ruderer betrieben wird, ist für die Rheinländer eine echte Attraktion.

Attraktion für Touristen

Die Fähre gibt es seit 1906. Mehrmals sollte sie durch eine Brücke ersetzt werden. Doch wegen der vielen Ausflugsdampfer, die durch die Müggelspree tuckern, müsste der Übergang sehr hoch gebaut werden, und dazu fehlt Berlin das Geld. Glück für die Kölner. Der Ausflug ist für sie um eine Sehenswürdigkeit reicher. Sie packen die Fotoapparate aus und schießen ein paar Bilder. Sie beide, der Fährmann, der wie ein echter Seemann aussieht, und das Panorama von Rahnsdorf. So sehen Berlin-Erinnerungen aus.

Am gegenüberliegenden Ufer angekommen, holen sie ihre Karte hervor. Kebelmann muss ihnen den Radweg um den Müggelsee herum zeigen. Er ist in seinem Element, kennt jeden Weg.

Ein Rentnerpaar aus Sachsen will auf die gegenüberliegende Seite. „Jetzt muss ich erst zwei Dampfer durchlassen“, bittet der Fährmann um Geduld. Noch ist kein Schiff zu sehen, aber Kebelmann kennt die Fahrpläne. Von links kommt der Fäkaliendampfer, der die Toiletten vom nahen Neu-Venedig abgepumpt hat. Kebelmann winkt der Kapitänin zu – auf der Müggelspree kennt man sich. Von rechts kommt die „Ernst Reuter“, ein Ausflugsdampfer. Als das Rentnerehepaar ins Ruderboot gestiegen ist, zeigt der Fährmann auf die nahe Insel. „Mein Freund ist wieder da“, sagt er. Sein Freund ist ein schwarzer Schwan mit rotem Schnabel. „Den sehe ich das erste Mal dieses Jahr.“

Fährmann ist Kebelmann seit 2003. Mit diesem Job, um den er sich aus der Arbeitslosigkeit heraus beworben hat, ist er zum Ort seiner Kindheit zurückgekehrt. Am Müggelsee ist er zur Schule gegangen. „Dann war die Wohnungsnot und ich bekam nur eine Wohnung in der Stadt“, sagt er. Er wohnt in Lichtenberg in der Platte, arbeitete als Maschinist, Hausmeister, Lagerarbeiter und Kraftfahrer.

Sein schönster Job

Weil er schon zu DDR-Zeiten hobbymäßig das Patent als Binnenschiffer abgelegt hatte, bewarb er sich als Fährmann und bekam den Job am Wasser, seine bisher schönste Stelle. „Natürlich wollen auch bei Regen Leute übersetzen, das ist nicht so angenehm“, sagt er. Und so ruhig wie an Wochentagen ginge es am Wochenende nicht zu. „Da fahre ich ständig hin und her.“ Acht Personen passen in sein Ruderboot. Oder vier Personen und vier Fahrräder. An einem Sonntag bei schönem Wetter kommt er auf 200 Fahrgäste plus 100 Räder.

Am Wochenende hat am Rahnsdorfer Ufer die Müggelsee-Fischerei geöffnet. Dort essen seine Ausflügler „beim letzten Berufsfischer am Müggelsee“, wie Kebelmann sagt, frischen Fisch vom Grill und können anschließend vom selben Steg mit einer zweiten BVG-Fähre zum Kleinen Müggelsee fahren. Die tuckert 20 Minuten lang motorbetrieben über enge Fließe und den Kleinen Müggelsee und kostet ebenfalls nur eine Kurzstrecke. Enten, Haubentaucher und Fischreiher drehen dort ihre Runden.