„Ich schreie nicht Hurra“

Das von Rot-Grün geplante Antidiskriminierungsgesetz ist nur ein erster Schritt, sagt Reza Rassouli vom Berliner Anti-Diskriminierungsbüro. Die Situation von Betroffenen werde sich kaum ändern

INTERVIEW DENNIS REINECK

taz: Herr Rassouli, welche Auswirkungen wird das geplante Antidiskriminierungsgesetz auf Ihre Arbeit in Berlin haben?

Reza Rassouli: Leider nicht die, die ich mir erhofft habe. Der Gesetzentwurf richtet sich vorwiegend gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit. Aber 80 Prozent unserer Fälle in Berlin haben mit Diskriminierung durch Behörden und Ämter zu tun.

Wie äußert sich dies?

Asylbewerber etwa werden in einigen Bezirken unterschiedlich behandelt. Besonders schlecht geht es denen in Steglitz, Neukölln und Reinickendorf. In manchen Bezirken bekommen die Bewerber Bargeld, wie etwa in Mitte, in anderen dagegen nicht. Das ist jeweils Ermessenssache, ist aber willkürlich.

Bringt das Klagerecht, das das neue Gesetz einräumt, hier nichts?

Kaum. Erstens kennen die meisten Asylbewerber ihre Rechte nicht. Zweitens wird das Gesetz von staatlicher Seite kaum gegen die eigenen Institutionen angewandt werden. Und drittens dürfen NGOs mit weniger als 75 Mitgliedern die Kläger nicht vor Gericht vertreten. Das steht so im Gesetz. Wir etwa haben weniger als 75 Mitglieder, aber jede Menge Erfahrung, was den Umgang mit Diskriminierung angeht. Trotzdem werden wir keinen Rechtsbeistand geben können.

Wo sehen Sie in Berlin den größten Handlungsbedarf gegen Diskriminierung?

Ich sehe mit Sorge, dass allgemein die Stimmung kippt. Rechte Parteien und Demonstrationen sind kein Tabu mehr. Die Debatten um den „gefährlichen Islam“ und den EU-Beitritt der Türkei tragen eher zu einer Verunsicherung der türkischstämmigen Mitbürger und Mitbürgerinnen bei.

Hat das nicht auch zu einer breiteren Integrationsdebatte geführt?

Ja, aber die bewirkt das Gegenteil von Integration. Viele türkische Jugendliche fühlen sich ausgegrenzt, weil ständig über ihre Köpfe hinweg über sie diskutiert wird. Oder es gab eine Berliner Wohnungsgenossenschaft, die ausdrücklich keine Ausländer oder Asylbewerber haben wollte. Das haben wir schwarz auf weiß. Diese Art der offensichtlichen Diskriminierung wird zwar durch das geplante Gesetz verboten, aber insgesamt trägt dieser Umgang mit Migranten und Migrantinnen nicht gerade zur Integration bei.

Kann Toleranz überhaupt per Gesetz verordnet werden?

Nein. Neben dem Gesetz muss natürlich jede Menge Aufklärungsarbeit geleistet werden. Trotzdem ist das Gesetz ein wichtiger erster Schritt.

Sie bleiben aber unzufrieden?

Ja, ich werde jetzt nicht Hurra schreien, weil es das Gesetz gibt. Es fehlt nach wie vor ein verbindlicher Rechtsrahmen, der nicht nur die Rechte der Diskriminierten, sondern auch die Pflichten zum Beispiel von Arbeitgebern festlegt. Die Situation von Betroffenen wird sich durch das Gesetz kaum ändern. Auch auf dem Arbeitsmarkt wird dadurch keine Gerechtigkeit hergestellt werden.