Hoffnung für Erben

Nachkommen von Holocaust-Opfern können bei Israels Banken Anspruch auf Vorkriegskonten geltend machen

JERUSALEM taz ■ Die Erben von rund 6.000 Holocaust-Opfern, die möglicherweise vor dem Zweiten Weltkrieg mittels zionistischer Gesellschaften im damaligen Palästina Konten eröffneten oder Wertpapiere ersteigerten, können sich ab sofort an den von der Regierung eingesetzten Nachlassverwalter wenden. Das Guthaben war vom jungen Staat Israel über Jahrzehnte als Kapital ohne Besitzer betrachtet worden und floss zum Großteil in den Aufbau der Infrastruktur. Standen die Nachkommen bislang vor einer „bürokratischen Mauer“, so die liberale Tageszeitung Ha’aretz, ermöglicht ihnen die im Internet veröffentlichte Kontenliste nun, ihren Anspruch anzumelden.

Bereits vor eineinhalb Jahren hätte der Bericht fertig sein sollen. „Konflikte mit den Banken“, vor allem über die Errechnung des heutigen Realwertes damaliger Einzahlungen, so die Kommissionschefin Colette Avital, hätten „zu Verzögerungen geführt“. „Die israelische Nationalbank ist die letzte Bank der Welt, die sich weigert, die Gelder der Holocaust-Überlebenden auszuzahlen“, hatte Exjustizminister Tommi Lapid (Schinui), selbst Holocaust-Überlebender, vor einigen Monaten kritisiert.

Die Kommissionsmitglieder – Vertreter verschiedener Parteien – rühmten nahezu einstimmig die „Kooperationsbereitschaft“ der Banken und betonten, dass „ein Vergleich zu Banken im Ausland, etwa in der Schweiz, nicht angebracht ist“, so Avital. Anders als die ausländischen Banken, die anfangs mit „völliger Leugnung“ reagiert hätten und „gezielt Daten verschwiegen“, hätten die israelischen Banken „ihre Bücher zur Verfügung gestellt“ und die Untersuchung finanziert.

Allerdings hatte eine der Banken „noch nachdem die Komission ihre Arbeit bereits aufgenommen hatte, wichtige Dokumente vernichtet“, so berichtet Nachum Gross von der Hebräischen Universität in Jerusalem, der der Komission beratend zur Seite stand. Ohne den Namen der fraglichen Bank zu nennen, hält Gross „dieses Vorgehen jedoch nicht für vorsätzlich“. Das Material sei lediglich „aus Mangel an Bewusstsein für die Holocaust-Opfer“ und außerdem „entsprechend den gesetzlichen Regelungen“ vernichtet worden.

So würden turnusgemäß veraltete Dokumente verbrannt, was „ohne Zweifel unsere Arbeit erschwerte“. Zudem hätten die heutigen Bankangestellten „oft überhaupt nicht gewusst, wonach wir suchen“. Ein Großteil des dem Bericht zugrunde liegenden Materials stamme nicht von den Banken, sondern sei von fünf Steuerberatungsfirmen in Archiven in Israel wie in Großbritannien zusammengestellt worden. Kommissionsleiterin Avital hofft auf die Errichtung einer „staatlichen Institution, die aktiv die Suche nach den Erben“ der Kontoinhaber aufnimmt.

SUSANNE KNAUL