Irakischer Erzbischof ist wieder frei

Nach Protesten des Vatikans setzen unbekannte Entführer Basile George Casmussa in Mossul wieder auf freien Fuß. US-Truppen verstärken ihren Druck rings um die zweitgrößte Stadt des Landes, die bis zu den Wahlen befriedet werden soll

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Das Martyrium des irakischen Erzbischofs dauerte weniger als 24 Stunden. Basile George Casmussa, das Oberhaupt der syrisch-katholischen Gemeinde in Mossul, wollte am Montagnachmittag gerade in seinen Wagen steigen, als zwei Fahrzeuge bewaffneter Männer mit quietschenden Reifen anhielten, den Geistlichen in einen Kofferraum der beiden Autos zerrten und davonrasten. Gestern Mittag wurde der 66-Jährige überraschend schnell wieder freigelassen, nachdem der Vatikan in Rom, dem die 35.000 Gläubigen umfassende kleine syrisch-katholische Gemeinde im Irak untersteht, die Entführung als „terroristischen Akt“ verurteilt und die unbekannten Entführer aufgerufen hatte, den Erzbischof sofort freizulassen. Ob ein Lösegeld gezahlt wurde, bleibt unklar.

Trotz des guten Ausgangs der Episode hat die Verschleppung des Geistlichen die Bewohner der ethnisch und religiös gemischten nordirakischen Stadt weniger als zwei Wochen vor den Wahlen weiter verunsichert und neuen Unfrieden zwischen den Konfessionen gesät.

Einst wurden Iraks Christen von Saddam Husseins säkularem Regime hofiert und mit höchsten Ämtern bedacht, wie die Ernennung des Christen Tarek Asis zum Vizepremier beweist. Doch seit dem Krieg fühlen sich die Christen, die etwa drei Prozent der Bevölkerung ausmachen, bedrängt. Ihre Auswanderung, die unter Saddam nach dem Golfkrieg 1991 begann, nahm nach dem letzten Irakkrieg weiter zu. Wiederholt wurden die Kirchen zu Zielen von islamistischen Anschlägen.

Hinzu kommt, dass in Mossul teilweise anarchische Verhältnisse herrschen. Seit US-Truppen im November Falludscha, eine Hochburg der Aufständischen, zurückerobert haben, konzentrieren Letztere ihre Aktivitäten auf Mossul. Zweidrittel der zwei Millionen Einwohner der Stadt sind Sunniten, die der US-Besatzung meist feindlich gegenüberstehen. Die US-Armee hat dort ihre Truppen seit dem 1. Januar verdoppelt. „Wir befinden uns mitten in der Schlacht um Mossul“, erklärt Brigadegeneral Carter F. Ham, der US-Kommandeur des Nordirak. „Die Aufständischen wollen die Stadt kontrollieren, aber wir werden das nicht zulassen“, fügt er hinzu. Erstmals seit einem Jahr sind wieder Panzer in Mossul zu sehen, F 16-Kampfflugzeuge überfliegen die Stadt, während „Apache“-Kampfhubschrauber drohend über der Innenstadt kreisen.

Die US-Truppen haben weniger als zwei Wochen Zeit, die Stadt noch vor den Wahlen zu befrieden. Hier wird sich unter anderem entscheiden, ob es den Aufständischen gelingt, einen Großteil der Bevölkerung so einzuschüchtern, dass sie am 30. Januar den Urnen fernbleiben. Angst und Misstrauen in der Stadt sind groß.

Zumindest theoretisch will die US-Armee die direkte Kontrolle der Wahlen der irakischen Polizei übergeben und selbst im Hintergrund bleiben. Bei einer US-Militärübung am Wochenende, von der ein eingebetteter Korrespondent der Washington Post berichtete, fragte ein Soldat den Kommandeur des in Mossul stationierten 1. Bataillons, was geschehen soll, wenn die Aufständischen ein Wahllokal übernehmen. Die Antwort des Offiziers zeugt vom amerikanischen Dilemma: „Das wäre eine Gelegenheit, viele der Aufständischen zu töten, aber das schafft nicht gerade die richtige Wahlatmosphäre.“