„Die Iraner handeln noch zu zwiespältig“, sagt Bernd Kubbig

Die Neocons in der Bush-Regierung wollen die Regierung im Iran stürzen. Die EU kann das verhindern – vielleicht

Herr Kubbig, in der Zeitschrift „New Yorker“ hat der bekannte Journalist Seymour Hersh der US-Regierung vorgeworfen, dass sie bereits konkrete Vorbereitungen für einen Krieg gegen den Iran betreibe. Wie bewerten Sie die Vorwürfe?

Bernd Kubbig: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Die alte, neu gewählte Regierung braucht ein gezieltes Mandat für wichtige Aufgaben und Ziele ihrer Außenpolitik. Womöglich sind die Vorarbeiten militärischer Art, aber auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung, eine Art Testballon für ein solches gezieltes Mandat der Bush-Regierung in Richtung Iran.

Das hieße, dass die Informationen an Seymour Hersh gezielt lanciert worden sind?

Das möchte ich nicht ausschließen. Wir wissen, dass US-Regierungen zu Beginn ihrer neuen Amtszeit eine Gebärde der Macht setzen. Aber es geht um mehr: Für die viel beschworenen Neokonservativen ist der Iran Teil einer umfassenden Strategie. Wir haben es mit einem explosiven Gemisch zu tun. Bei den Neokonservativen gibt es eine Art Kränkung darüber, dass es im Irak nicht klappt. Die Vorstellung, der Nahe Osten gebe erst Ruhe, wenn er demokratisiert sei – und die USA seien auch erst dann sicher –, besteht in dieser Fraktion der Regierung weiter fort.

Es scheint , dass die Neokonservativen zwar einen Regimewechsel im Iran wollen, aber die Frage, was die Bush-Regierung wann unternimmt, um das auf die Tagesordnung zu setzen, ist sehr umstritten.

Das ist richtig. Durch das Irakdesaster sind die Neokonservativen viel weniger einheitlich, als man gemeinhin denkt. Die Bush-Administration insgesamt hat dadurch geglänzt, dass sie nie eine einheitliche Iranpolitik hatte. Es gab immer die Flügelkämpfe zwischen den Neokonservativen und den konservativen Realisten um Colin Powell. Die haben zwar die – gemeinsame – Linie vertreten, den Iran am Bau einer Atombombe zu hindern, aber die Frage nach Regimewechsel im Iran davon abkoppelt. Die Neokonservativen wollen das verknüpfen. Die Frage ist, wer sich durchsetzt. Soweit ich weiß, hat bisher kein Politiker der ersten Garnitur einen Regimewechsel im Iran als offizielles Ziel benannt.

Zumindest wird durch die neuen Meldungen der Druck verschärft. Was heißt das für die Bemühungen Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens, den Iran mit Anreizen zur Kooperation zu bewegen?

Die Position der Europäer wird letztlich gestärkt. Ohne dass die das gewollt haben – es handelt sich hier wieder einmal um einen unilateralen, präventiven Coup der USA. Das ist auch keine „Arbeitsteilung“, sondern Unilateralismus pur. Dennoch: Die Iraner werden das zur Kenntnis und möglicherweise ernst nehmen. Auch ihnen wird mehr und mehr klar werden, dass die angebotsorientierte Politik der Europäer alternativlos ist. Das ist eine Chance für den europäisch-iranischen Dialog. Die Herkulesaufgabe ist, einen politischen Airbus 380 im Dreieck Europa-Iran-USA hinzubekommen. Aber die Europäer können das schaffen. Ein Schlüssel liegt in Teheran, und der besteht darin, kein Katz-und-Maus-Spiel zu betreiben. Die Iraner sollten die europäischen Forderungen anerkennen.

Aber wenn der Iran sich nicht sicher sein kann, dass Kooperation vor einem US-amerikanischen Angriff schützt, dann sieht die iranische Regierung doch womöglich gar keinen Grund zu verhandeln?

Wenn die Iraner klare Signale und Beweise geben, dass sie im Nuklearbereich clean sind, dann wird die Schwelle für diejenigen, die unbedingt einen Regimewechsel erzwingen wollen und die Nuklearfrage nur vorschieben, sehr hoch. Die Neokonservativen ärgern sich gerade mächtig, dass ihre Strategie von den Europäern erfolgreich durchkreuzt wird. Aber durchkreuzt wird sie nur, wenn die Europäer Erfolg haben und die Iraner in der Nuklearfrage tatsächlich sauber sind.

Hershs Szenario ist: Die USA erklären noch in der ersten Jahreshälfte die europäischen Bemühungen für gescheitert und starten dann eine politische Offensive mit dem Ziel einer militärischen Lösung. Können die Europäer das verhindern?

Nicht, wenn der Iran weiterhin Anlass zu Ungewissheiten gibt. Wenn die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde aber erklären können, dass sie alles untersuchen durften, was sie sehen wollten, auch in militärischen Sperrzonen, dann bricht dieses Szenario in sich zusammen. So weit sind wir jedoch nicht. Die Iraner sind noch zu ambivalent. Sie müssten im eigenen Interesse eindeutig werden. Die Europäer sollten darauf drängen, die Iraner nicht zu kriminalisieren, sondern die Urananreicherungsfrage so zu lösen, dass Teheran sein Gesicht wahren kann. Dafür ist es wichtig, das gemeinsame Ziel mit den USA, den Iran nicht zur Atommacht werden zu lassen, zu betonen, das aber von Bestrebungen des Regimesturzes abzukoppeln.

Halten Sie militärische Alleingänge Israels nach dem Modell des Angriffs auf den irakischen Reaktor in Osirak 1981 für ausgeschlossen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Israelis militärisch in der Lage sind, die weitverbreitete unterirdische militärische Struktur des Iran so zu zerstören, dass die Iraner nicht mehr zurückschlagen können. Das ginge wohl nicht einmal gemeinsam mit den USA – und vielleicht ist das, was Seymour Hersh aufgedeckt hat, der Versuch, diese Möglichkeiten auszuloten.

INTERVIEW: BERND PICKERT