Opposition will weiter diskriminieren dürfen

Nach langem internem Tauziehen bringt Rot-Grün das neue Antidiskriminierungsgesetz heute in den Bundestag ein. Union, FDP und Arbeitgeber warnen vor einer „Regelungsorgie“, bürokratischen Hürden und einer Flut von Prozessen

BERLIN taz ■ Zu viele Regeln, zu viele Gerichtsprozesse – ruft die Opposition, wenn es um das Antidiskriminierungsgesetz geht, das Rot-Grün nach langem internen Tauziehen heute im Bundestag einbringt. Die Koalition winkt ab und hält die Kritik von CDU und FDP für überzogen.

Das Antidiskriminierungsgesetz besteht aus drei Teilen. In Teil eins geht es um das Arbeitsleben. Teil zwei regelt den Umgang mit Benachteiligungen im Geschäftsleben, gemeint sind Warenverkauf, Wohnungsmarkt und Dienstleistungen. Drittens soll eine Antidiskriminierungsstelle beim Bund eingerichtet werden.

Schon im Dezember 2003 hätte das Antidiskriminierungsgesetz eigentlich verabschiedet werden müssen. Denn mit dem Regelwerk setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie um. Doch der rot-grüne Gesetzentwurf geht über die EU-Vorgaben hinaus. Im Geschäftsleben müssen nach der Brüsseler Richtlinie nur Benachteiligungen wegen Rasse oder ethnischer Herkunft verboten werden. Die ehemalige Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin (SPD) wollte jedoch auch Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Behinderung, Alter, Weltanschauung und sexueller Identität verfolgen. Das ist zu viel, heißt es aus Union und FDP. Auch Gmelins Nachfolgerin Brigitte Zypries wollte diese Zusätze am liebsten ganz zurücknehmen, doch damit rief sie den Widerstand des grünen Koalitionspartners und von Antidiskriminierungsverbänden auf den Plan.

Inzwischen haben sich Grüne und SPD aber in ihrem letzten Streitpunkt geeinigt. Große Wohnungsgesellschaften müssen Wohnungen diskriminierungsfrei vermieten. Private Vermieter haben größere Spielräume.

Den Kompromissentwurf verteidigen die beiden Koalitionsfraktionen nun gegen anhaltende Kritik von Union und FDP. „Die Opposition übertreibt maßlos“, sagt Christel Humme, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Mit einer ausufernden Klagewelle rechne sie nicht. So gebe es schon seit vier Jahren ein Verbandsklagerecht für Behinderte, doch habe es seither erst eine einzige Klage gegeben.

Auch die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk forderte, Union und FDP sollten „mit dem Geschrei aufhören“. Natürlich werde es Klagen geben, schließlich sei man nicht an einem Gesetz interessiert, das nicht wirke. Außerdem werde die neu eingerichtet Behörde lediglich 30 Mitarbeiter haben. „Wir hätten uns mehr gewünscht“, sagte Schewe-Gerigk, „aber angesichts der Haushaltslage ist nicht mehr drin.“ Ein großer Teil der Arbeit werde selbstverständlich an die zuständigen Beauftragten weitergeleitet.

Eine „Regelungsorgie“ befürchtet dagegen die Wirtschaftsexpertin der CSU, Dagmar Wöhrl. Benachteiligte würden es auf dem Arbeitsmarkt zukünftig noch schwerer haben. Der CDU-Abgeordnete und Arbeitgeberfunktionär Reinhard Göhner sagte, Arbeitnehmer seien vor Diskriminierung schon genug geschützt.

Vor „einer Prozessflut, die noch nicht abzuschätzen ist“, warnt die FDP. Deren sozialpolitischer Sprecher Heinrich Kolb hält die „Macht, die der Gesetzentwurf Antidiskriminierungsverbänden und Gewerkschaften gibt, für zu groß“. Einzelpersonen, die sich diskriminiert fühlen, können das Klagerecht an Verbände übertragen. Die Opposition will also vor allem drohende Massenklagen gegen Unternehmen verhindern. Zudem ist der FDP ein Dorn im Auge, dass für den Kampf gegen Diskriminierung eine Behörde geschaffen werden solle. „Bei der derzeitigen Haushaltslage ist ein neuer Behördenapparat wohl unangemessen“, so Sozialpolitiker Kolb. „Diese Aufgaben könnten zum größten Teil die Integrations- und die Behindertenbeauftragte übernehmen.“ DANIEL SCHULZ