Und sie machten Wasser zu Zaubertrank

Um die satten Deutschen zu überzeugen, bietet die Industrie verstärkt Lebensmittel als Wellness-Produkt mit heilsamen Zusatzstoffen an

BERLIN taz ■ Nestlé macht ab sofort nicht nur satt. Sondern auch gesund. Alle Rezepte von der Maggi-Tütensuppe bis zum Mövenpick-Speiseeis werden neu gemischt – und enthalten weniger Fett oder Zucker. „Das ist die Strategie des Konzerns“, sagt Sprecher Alexander Antonoff. Und so serviert Maggi fettarme Kohlsuppe mit Ballaststoffen und Calcium-Zusatz für den Knochenaufbau.

Essen als Wellness – das ist hipp. Und vor allem teuer: Schließlich lässt sich so Dosenfutter zu weit höheren Preisen verkaufen. Zwar können bisher nur zehn Prozent der Deutschen mit dem Begriff „Functional Food“ (FF) etwas anfangen. Doch der Markt boomt. Nach Schätzungen des US-Nutrition Business Journal dürfte der weltweite FF-Umsatz schon dieses Jahr 68 Milliarden Dollar erreichen. Deutschland liegt hier vor allem bei Milchprodukten an der Spitze.

Der Trend kam aus Japan und hieß zunächst streng wissenschaftlich Food for Specified Health Use (Foshu), also Lebensmittel mit spezifischem Gesundsheitsnutzen. Nur in Japan gibt es bislang auch gesetzliche Kriterien für Foshu-Food. In Deutschland ist LC1, der probiotische Joghurt, die berühmteste Marke für Funktionales Essen. Daneben gibt es Eier und Brot mit den kreislaufstärkenden Omega-3-Fettsäuren, Aloe-vera-Drinks, und selbst ACE-Saft aus Orangen, Möhren und Zitronen wird gern mal mit unverständlichen Namen als gesundheitsfördernd vermarktet.

Darauf ein „Vittel + Energy Orange mit Vitamin B Complex und Kohlehydraten“! Schnödes Wasser? Weit gefehlt. Man merkt’s am Preis. Schließlich stecken hinter solch vermeintlich simplen Produkten enorme Entwicklungs- und Werbekosten.

Doch der Aufwand lohnt sich. Denn die Deutschen sind satt. 40 Prozent aller neu eingeführten Produkte floppen, so lautet die Faustregel der Branche. Experten gilt der FF-Bereich wegen des weiter steigenden Gesundheitsbewusstseins der Bevölkerung dagegen als sichere Bank. Darauf sitzen aber vor allem Großkonzerne wie Nestlé, Unilever und Kraft (siehe rechts). „Sie bestimmen, was die Verbraucher essen. Um ihre marginalen Gewinnspannen im klassischen Angebot auszugleichen, platzieren sie die überteuerten Designerwaren“, sagt Thilo Bode von Foodwatch. Ob das Produkt dem Verbraucher etwas bringt, also wie behauptet Krebs, Herzrhythmusstörungen oder Osteoporose vorbeugt, ist umstritten. Dass Zutaten wie Aloe vera wirken, ist allenfalls im Labor nachgewiesen. Britische Verbraucherschützer warnten schon 2000, dass die Unternehmen wegen fehlender gesetzlicher Bestimmungen in Europa bei der aggressiven Werbung für ihre Wundernahrung das Blaue vom Himmel versprächen.

„Diese Hightech-Produkte sind Marketingideen“, sagt auch Ernährungsexpertin Angelika Michel-Drees vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Und nennt gerade mal zwei Ausnahmen: Margarine mit Phytosterol-Estern, deren regelmäßiger Verzehr den Cholesterinspiegel senkt. Und das gute alte Jodsalz.