Und ewig lockt das Fleisch

„Kleine Schweinerei gefällig?“ Die Werber der CMA fallen vor allem durch eines auf: Geschmacklosigkeit. Die Bauern müssen das bezahlen

„Kein Liter Milch, kein StückFleisch wird durch CMA-Kampagnenmehr verkauft“

Das kann sich doch sehen lassen: 150 Mitarbeiter in Bonn, Büros in Alexandra (USA), Moskau und Schanghai, regelmäßige Teilnahme an rund fünfzig Auslandsmessen, Werbeetat 100 Millionen Euro jährlich, dazu Rücklagen in dreistelliger Millionenhöhe – alles zum Wohl der deutschen Bauernschaft. Doch die Reklametruppe von der CMA, der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH, gerät mit ihren lasziven Slogans derzeit politisch immer stärker unter Druck.

Widerlich, anzüglich, unappetitlich sei die Werbung der CMA zum Absatz der Fleischberge, sagen pikierte Deutsche Landfrauen – und Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) dürfte das ähnlich sehen.

„Kleine Schweinerei gefällig?“, „Schneid Dir was aus den Lendchen“ und „Und ewig lockt das Fleisch“ – die CMA-Slogans sind überall. Serviert wird auch in der ARD-„Sportschau“ – Zielgruppe: junge Küchenbullen –, wo „der Fokus auf der Milch als ältestem Energydrink der Welt“ liegt, salbadert dazu die CMA. Sie wissen schon: Milch macht müde Männer …

Im ZDF-Verbrauchermagazin „Volle Kanne“ kocht der schon im Sat.1-Frühstücksfernsehen unausstehliche Armin Roßmeier für die reifere Hausfrau. Und für das höherer Kochkunst unverdächtige jugendliche Publikum des Computersenders Giga TV heißen die in Kooperation mit der CMA bestrittenen Sendungen dann gleich schlicht „Tiefkühlkost & Konserven“. Die derzeit – rechtzeitig zum Beginn der Grünen Woche ersonnene – allgegenwärtige CMA-Außenwerbung fällt dagegen stark ab: „Deutschland hat GesCMAck“.

Hinter der Centrale stehen 43 Spitzenverbände der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft als Gesellschafter – von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter bis zum Zentralverband Ei. Und die Zeche zahlen die Bauern, ganz egal, ob sie die Plakate und TV-Spots originell finden.

Etwa 0,4 Prozent des Wertes ihrer Produkte müssen alle Bauern an den so genannten Absatzfonds zahlen. Die Abgabe wurde 1969 eingeführt, als es den meisten Bauern wirtschaftlich gut ging. Damals drängten immer mehr importierte Orangen, Marmeladen und Rinderhälften auf den deutschen Markt. Und so wurde qua Gesetz der „zentrale Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft“, kurz: Absatzfonds, gegründet. Seitdem findet sich auf jeder Schlachterrechnung des Bauern ein Absatzobulus, pro Rind sind das aktuell beispielsweise 2,04 Euro.

Auch auf jeder Milchrechnung steht der Abschlag, ebenso bei Eiern, Rüben oder Mehl. Doch heute sehen viele Bauern in diesem „Reklamegroschen“ trotz anhaltender globaler Konkurrenz nur noch eine Belastung. Schließlich fahren sie derzeit kaum Gewinne ein, mit Schweinenacken und Milch lässt sich nicht mehr gut verdienen.

Ihre Abgabe fließt vom Absatzfonds überwiegend an die CMA. Der geht es deutlich besser als den Bauern: Neben den 100 Millionen Euro, die sie nach eigenen Angaben jährlich ausgibt, soll die CMA Rücklagen in Höhe von 400 Millionen Euro gebildet haben, sagen Bundestagsabgeordnete. Dieser Geldberg soll nach dem Willen von Ministerin Renate Künast abgeschmolzen werden. Schon 2003 schlug sie vor, die Beiträge der Bauern einfach zu halbieren. Durchsetzen konnte sie sich damit allerdings nicht gegen die mächtige Bauernlobby.

Auch einer Erfolgskontrolle mussten sich die CMA-Werber noch nie stellen – ihre Daten hüten sie gut. Eine Idee wie „Deutsche Pute. Die Gute“ aus dem Jahr 2003 wäre sonst wohl gleich im Papierkorb verschwunden. Denn die gute deutsche Pute könnte aus einem Stall mit zehn oder aber auch 3.000 Tieren kommen, artgerecht gehalten oder mit Antibiotika gemästet worden sein. Dem Verbraucher sagt die Reklame also: gar nichts.

Nicht besser ist „Aus Deutschland – Blumenland“. Zu einer solchen Aktion rät die CMA den Floristen. Dabei ist nur noch jede dritte Blume, die sie heute verkaufen, aus der Bundesrepublik. Der überwiegende Teil der Tulpen oder Rosen kommt aus den Niederlanden.

Deutsches aus deutschen Landen – dieses Prinzip funktioniert sowieso nicht mehr ohne Weiteres. So untersagte der Europäische Gerichtshof der CMA schon Ende 2002, ihr Gütezeichen „Markenqualität aus deutschen Landen“ zu vergeben. Deutsch sei kein Qualitätsmerkmal – und entsprechende Kampagnen würden zudem Konkurrenten aus den anderen EU-Mitgliedstaaten benachteiligen.

Egal ob deutsch oder nicht – für Professor Tilmann Becker von der Universität Hohenheim steht fest: „Das Geld der Bauern wird leichtfertig ausgegeben.“ Die CMA mache mit den teuren Fernsehspots allenfalls noch Werbung für sich selbst, sei völlig unspezifisch – und deshalb für die Bauern weitgehend wirkungslos, so der Experte für Agrarmarketing. „Kein Liter Milch, kein Stück Fleisch wird dadurch mehr verkauft.“

„Platt und lahm“ seien die Kampagnen, findet auch Nabu-Agrarexperte Florian Schöne. Lieber sollten Verkauf ab Hof und regionale Produkte gefördert werden. Die CMA reagiert gelassen auf solche Kritik. „Reine Geschmackssache“, sagt Sprecher Detlef Steinert. „Wir wollen den Landwirt sympathisch darstellen und Bewusstsein für Geschmack wecken.“ Auch Bauernverbandssprecher Michael Lohse ist erwartungsgemäß „ein großer Verfechter der CMA“: Man brauche sie, „weil es um Imagepflege geht“.

Imagepflege? Hübsche Posten würden dort hin- und hergeschoben, sagt ein Bauer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte: „Beim Absatzfonds und der CMA gibt es die lukrativsten Jobs.“ Denn in den Aufsichts- und Verwaltungsräten sitzt, wer Rang und Namen hat in der Agrarbranche. Der Vorsitzende im Verwaltungsrat des Absatzfonds zum Beispiel ist Bauernpräsident Gerd Sonnleitner.

Typisch sei der „Filz für die Landwirtschaft“, meint Friedrich Ostendorff, selbst Landwirt und Grünen-MdB. Ihn ärgert, dass Mitglieder aus dem Verwaltungsrat des Absatzfonds ganz selbstverständlich zugleich im Aufsichtsrat der CMA sitzen. Doch haben die Parlamentarier bisher keinen direkten Einfluss auf die privatwirtschaftlich organisierte und damit formal unabhängige CMA. Seltsam. Denn wollte die CMA etwa ihren Dienstsitz verlegen, müsste das Bundeslandwirtschaftsministerium zustimmen.

Jedenfalls bewegt sich so immer nur dann ein wenig, wenn der Druck zu groß wird: Vor kurzem nahm der Verwaltungsrat des Absatzfonds immerhin drei Vertreter von Ökolandwirten, Verbraucher- und Tierschützern auf – „wir waren nicht begeistert“, gibt Michael Lohse vom Bauernverband unverhohlen zu. Ostendorff erklärt: „Das ist für viele altgediente Bauernvertreter die Revolution.“

Dann hat es sich aber auch schon wieder mit der Revolution. Mehr Unerfreuliches müssen die Freunde der CMA in naher Zukunft nicht fürchten. Zwar hat die rot-grüne Regierung schon ein Gesetz ersonnen, nach dem die „personelle Verzahnung“, wie es im Entwurf heißt, von Absatzfonds und CMA unterbunden werden soll. Doch sind CDU/CSU und die Bauernlobby eng miteinander verflochten.

Eckehard Niemann schreibt in seinem Buch „Stille Macht“: Jahrzehntelang seien die Gesetzesinitiativen „zumeist aus dem Deutschen Bauernverband oder aus einer seiner Komplementärorganisationen“ gekommen. Diese Zeiten seien vorbei, aber die alten Seilschaften hätten weiter Bestand. Daher dürfte das neue Gesetz im unionsdominierten Bundesrat abgeschmettert werden. Erstes Indiz: „Andernfalls sei das austarierte Verhältnis von Beitragszahlern und sonstigen Mitgliedern nicht gewährleistet“, urteilte bereits der Agrarausschuss. So bleibt es, wie es der CMA besonders schmecken dürfte: beim Alten nämlich.