Wohnungslose sollen besser versorgt werden

Kommunen, Krankenkassen und Ärzte in NRW wollen künftig gemeinsam die medizinische Versorgung von Wohnungslosen finanzieren. Das ist auch nötig: Immer mehr Menschen sind auf kostenlose Hilfsangebote angewiesen

Ruhr taz ■ Obdachlosigkeit macht krank: Menschen, die auf der Straße leben, leiden häufiger an Haut- und Atemwegserkrankungen, Verletzungen oder falscher Ernährung als andere Bürger. Das soll sich ändern, haben die Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Kommunen in NRW beschlossen und sich darauf geeinigt, die so genannte „aufsuchende Gesundheitsfürsorge“ künftig gemeinsam zu finanzieren. Das verkündete jetzt die Ärztekammer Westfalen-Lippe. Mit wie viel Geld der neue Finanztopf ausgestattet werden soll, müsse allerdings erst noch verhandelt werden, sagt Michael Schwarzenau, Geschäftsführer der Ärztekammer. Über die Details würden die Beteiligten ab kommender Woche mit dem NRW-Gesundheitsministerium verhandeln.

Eigentlich ist die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung eine Pflichtaufgabe sowohl der Kommunen als auch der Ärzte und Krankenkassen. Das gilt natürlich auch für Wohnungslose, die außerdem meistens über die Sozialämter ganz normal krankenversichert sind. Trotzdem ist es um ihre Gesundheit im Vergleich zur restlichen Bevölkerung schlecht bestellt. Das liegt zum einen daran, dass viele Wohnungslose eine große Scheu haben, überhaupt einen Arzt aufzusuchen. „Niedergelassene Ärzte haben oft nicht genug Phantasie, um mit der besonderen Lebenslage dieser Menschen umzugehen“, sagt Gerlinde Fuisting, Leiterin der Wohnungslosenhilfe der Diakonie in Bochum. Und viele Ärzte sind auch nicht gerade erpicht auf diesen Patientenkreis. Denn Obdachlose brauchen in der Regel „eine besonders zeitintensive Behandlung“, die Ärzte über die normale kassenärztliche Abrechnung nicht adäquat bezahlt bekommen, erklärt der Ärztekammer-Geschäftsführer.

In einigen NRW-Städten wurden daher in den vergangenen Jahren spezielle Gesundheitsangebote für Wohnungslose eingerichtet. In Bochum zum Beispiel macht das der „Verein für aufsuchende medizinische Hilfe für Wohnungslose“. In den Obdachloseneinrichtungen der Diakonie halten zwei pensionierte Mediziner und zwei Krankenschwestern viermal in der Woche ihre Sprechstunde ab. „Natürlich können wir nur einfache Behandlungen machen“, erzählt einer der Ärzte, Rolf Creutz, der wie seine KollegInnen ehrenamtlich arbeitet. Es gibt weder die Möglichkeit zu operieren, noch ein Labor, die Spendengelder des Vereins reichen gerade für die Medikamente.

Dieses Ehrenamtsmodell gibt es in den NRW-Städten nicht: In Essen, Düsseldorf, Dortmund und Münster werden die Obdachlosen-Sprechstunden jeweils von der Kommune, den örtlichen Krankenkassen und der Ärztevereinigung finanziert. Allerdings stehen auch diese Projekte wegen der klammen öffentlichen Kassen häufig auf wackeligen Füßen. Das Problem wäre mit der neuen Regelung vom Tisch, denn dann könnten die medizinischen Angebote für Wohnungslose gesondert mit den Kassen abgerechnet werden. „Das wäre ein großer Fortschritt“, lobt Creutz. Schwarzenau von der Ärztekammer hofft auf neuen Schwung durch die Initiative: „Ich rechne damit, dass sich viele neue mobile Dienste gründen.“

Das wird allerdings auch Zeit. Denn der Bedarf an kostenloser medizinischer Versorgung steigt zusehends, wie Mediziner Creutz beobachtet hat. So habe sich die Zahl seiner Patientenkontakte seit Einführung der Praxisgebühr merklich erhöht. „In der Suppenküche der Diakonie sitzen immer mehr Arme, die überhaupt nicht obdachlos sind. Und die kommen jetzt auch in unsere Sprechstunde.“SUSANNE GANNOTT