Avantgarde sucht revolutionäre Basis

Eine Massenbewegung gegen Sozialabbau gibt es in nächster Zeit nicht, sagt der Kölner Ratsherr Claus Ludwig bei der Jahresversammlung von „Gemeinsam gegen Sozialraub“. Das Wahlbündnis brauche andere Protestformen

KÖLN taz ■ Wie sollen nach dem Abflauen der Montagsdemos die Proteste gegen Hartz IV und Sozialabbau weitergeführt werden? Das war die alles beherrschende Frage am Donnerstag Abend bei der Jahreshauptversammlung des Wahlbündnisses „Gemeinsam gegen Sozialraub“ (GGS), das seit den Kommunalwahlen im September mit einem Abgeordneten im Kölner Stadtrat vertreten ist.

„2004 war das Jahr der massiven Angriffe auf die Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen“, bilanzierte der frisch gewählte Ratsherr des Bündnisses, Claus Ludwig, vor den rund 40 anwesenden Mitgliedern, die sich im Bürgerzentrum Deutz eingefunden hatten. Ludwig warnte aber auch davor, in näherer Zukunft neue Massenproteste gegen Sozialabbau und Hartz IV zu erwarten. „Die Leute sehen keine Perspektive mehr, wie man diesen Kampf gewinnen kann“, räumte Ludwig, der selber auf der letzten Kölner Montagsdemo geredet hatte, ein. Ein „kurzfristiges Wiederaufleben der Bewegung als Massenbewegung“ werde es jedenfalls nicht geben, prophezeite er.

Da aber gleichzeitig die allgemeine Zustimmung zu den Hartz-Gesetzen keineswegs gestiegen sei, gehe er davon aus, „dass die Unzufriedenheit an anderen Punkten wieder hochkommt“ – etwa bei Massenentlassungen wie jüngst beim Bauer-Verlag. Ausdrücklich riet er davon ab, sich auf die Montagsdemos zu konzentrieren. Stattdessen solle sich „Gemeinsam gegen Sozialraub“ an neu entstehenden Protesten und Demonstrationen beteiligen, um dann im richtigen Moment „eine organisierende Rolle“ übernehmen, damit daraus eine dauerhafte Bewegung entsteht.

Nicht alle GGS-Mitglieder stimmtem dem zu, und so wurde lange über die Zukunft der Montagsdemos gestritten. „Gemeinsam gegen Sozialraub“ mehr auf außerparlamentarische Aktionen und namentlich Montagsdemos konzentrieren, forderten einige. Wieder andere wehrten sich genau gegen eine Fixierung auf Aktivismus und sprachen sich für eine Verzahnung von parlamentarischer und außerparlamentarischer Arbeit aus.

Claus Ludwig stellte schließlich klar, dass die Ratsarbeit keineswegs der „Dreh- und Angelpunkt“ seiner politischen Arbeit sei. Über das Ratsmandat könne „Gemeinsam gegen Sozialraub“ aber Informationen bekommen und besser in die Öffentlichkeit gelangen, verteidigte er die Wahlkandidatur. Das sahen auch viele andere GGS-Mitglieder so. Konkret gelobt wurde die Anzeige gegen den Kölner Erzbischof Joachim Meisner wegen Volksverhetzung, die Ludwig nach den jüngsten Hasspredigten des Kardinals gestellt hatte.

Wieder sehr einig war sich dann alle bei Angriffen auf die politische Konkurrenz. Die großen Streiks in diesem Jahr seien nicht von den Gewerkschaften angeführt, sondern „von unten angestoßen und getragen“ worden, kritisierte Ludwig die Gewerkschaftsführungen, die bei Hartz IV „im besten Fall Rechtsberatung“ organisieren würden, aber eben „keinen Kampf“. Deren Blockadehaltung gelte es jetzt zu durchbrechen. Zufrieden zeigten sich auch mehrere Redner darüber, dass es gelungen sei, dem Kölner Arbeitslosenzentrum (KALZ) und Attac die Kölner Montagsdemo „aus der Hand zu nehmen“. Dadurch sei diese „auf demokratische Basis gestellt“ worden.

Kräftig ausgeteilt wurde auch in Richtung PDS. Ludwig warf ihr vor, in Landesregierungen wie Berlin Hartz IV mit umzusetzen. „Wir stellen konkrete Forderungen, aber die laufen darauf hinaus, Hartz IV auszuhebeln“, sagte Ludwig und verwies auf das von GGS verlangte „Sofortprogramm gegen Armut und Zwangsarbeit“, mit dem ALG-II-Empfänger unterstützt werden sollen.

DIRK ECKERT