Mord vor laufenden Kameras

Von aristokratischen Stammeskriegern bis zu Kalle Blomquist: facettenreiche Frühjahrs-Hörspiele im NDR

Das Hörspiel blickt auf eine 80-jährige Tradition zurück und findet dennoch wenig Beachtung im Feuilleton. Dem steht eine umfangreiche Hörspielproduktion gegenüber, die eine andere Sprache spricht. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, Hörspiele kennen zu lernen. Zum Beispiel beim NDR. Die Palette der „NDR Hörspiele“ reicht im ersten Halbjahr diesen Jahres von Kindergeschichten bis zu Krimis, von Reihen wie „Glaubensfragen“ über „Lebendige Vergangenheit“ bis zu Hörspielfassungen von Romanen, Theaterstücken und Reihen zu Schiller oder dem Krimiautoren Louis Malet.

Zudem gibt es monatlich wenigstens zwei Premieren. So läuft im März Quel beau voyage oder Was für eine schöne Reise von Guido Gin Koster zum ersten Mal. Das Stück erzählt von den älteren Damen Aimée und Marthe. Aimée, eine weltberühmte Pianistin, hat vor langer Zeit einen spektakulären Mord begangen. Während einer laufenden Rundfunkaufnahme erschoss sie den Dirigenten – er war für die Deportation ihrer Eltern verantwortlich. Mit ihrer Lebensgefährtin fährt sie viele Jahre später zum Heimatort des Getöteten und begibt sich auf eine Reise in die Vergangenheit.

Im April hat die Hörspielfassung des Buches Unter Wilden von Dirk Wittenborn Premiere. Die Coming-of-age-Geschichte erzählt vom jungen Finn, der sich für Stammeskulturen interessiert. Nach einem Umzug gerät er in das verwobene Netz einer reichen Familie und muss feststellen, dass die manchmal grausamen Riten der Naturvölker sich nicht wesentlich von denen der Aristokratie unterscheiden.

Der Frage „Hartz 5 oder Was machen Sie beruflich?“ stellt im Februar das Stück Wir schlafen nicht von Kathrin Röggla. Die Autorin hat Arbeitssüchtige zu Jobs und Privatem, zu Erwartungsdruck und Hierarchien befragt und stellt mit einer Verdichtung der Aussagen das Leistungs- und Wachstumsstreben unserer Gesellschaft in Frage.

Mit Designer-Baby, der Hörspielbearbeitung des Buchs von Bettina Olbrecht, hat der NDR eine Fantasygeschichte für Kinder im Programm, die von einer Auseinandersetzung mit den Abgründen des elterlichen Wunschkinddenkens erzählt. Aber auch leichtere Kost wie der Lindgren-Klassiker Meisterdetektiv Kalle Blomquist, der bereits im Jahr 1954 aufgenommen wurde, findet ihren Platz im März. Und wo, wenn man es recht bedenkt, wird man in der traurigen Hamburger Radiolandschaft sonst noch so gut unterhalten heutzutage? Beatrice Wallis

16.3., 20.05: „Quel beau voyage oder Was für eine schöne Reise“ 13.4., 20.05: „Unter Wilden“ (beide NDR Kultur) 6.2., 21.05: „Wir schlafen nicht“13. + 20.3, 14.05: „Designer-Baby“ 25. + 28.3., 14.05: „Meisterdetektiv Kalle Blomquist“ (alle NDR Info)