Leiden auf hohem Niveau

Innensenator Udo Nagel beklagt Einbruch der Hamburger Abschiebezahlen: Schuld sind vor allem die EU und die rigide Ausweisepraxis der Vorjahre

Die Rekordjagd ist zu Ende: Erstmals seit dem Regierungswechsel gelang es dem Hamburger Senat im vergangenen Jahr nicht, die Zahl der vorgenommenen Abschiebungen zu steigern. Stattdessen sank die Zahl der abgeschobenen Personen von 3.184 Personen (2003) auf 2.423 im Vorjahr.

Dabei legt Innensenator Udo Nagel (parteilos) gesteigerten Wert auf die Feststellung, dass dieser Rückgang nichts, aber auch gar nichts mit einer veränderten Praxis der ihm unterstellten Ausländerbehörde zu tun habe. Die „Zahl der Rückführungen“ bleibe trotz des bedauerlichen Einbruchs auf „hohem Niveau“. Nagel beeilt sich dabei zu betonen, dass der „Senat auch weiterhin für eine konsequente Rückführungspraxis bei Ausreisepflichtigen“ stehe.

An der Spitze der Nagel‘schen Rückführungsliste stehen Menschen, die aus der Türkei stammen (515 Personen) oder in Serbien und Montenegro geboren wurden (453 Betroffene). Den Rückgang erklärt Nagel unter anderem mit dem Beitritt der baltischen Länder, Polens und weiterer Staaten zur Europäischen Union. Die Schwelle für Ausweisungen und Abschiebungen in diese Länder liege nun wesentlich höher, was allein zu einem Abschiebeminus von 400 Personen geführt hätte. Auch die Zahl der „Rückführungen“ nach Bulgarien sei rückläufig, da die Bekämpfung der aus diesem Land stammenden Prostituierten-Szene in St. Georg schon im Vorjahr zu erheblichen „Rückführungen“ geführt habe.

Um die Abschiebezahlen – die noch immer über den einstigen Rekordmarken der abgewählten rot-grünen Koalition liegen – wieder in die Höhe zu treiben, kündigt Nagel an, in diesem Jahr die Abschiebung von afghanischen Flüchtlingen beherzt in Angriff zu nehmen. Als Erstes soll dabei mit der Rückführung von 500 in Hamburg lebenden männlichen, allein stehenden Afghanen im Alter von 18 bis 60 Jahren begonnen werden. Bislang wurden lediglich afghanische Straftäter in Drittstaaten abgeschoben.

Für GAL-Innenexpertin Antje Möller bleibt es „zynisch und unappetitlich, hohe Abschiebezahlen auch noch zu feiern“. Dies bedeute vornehmlich, dass „die Humanität in Hamburg weiter klein geschrieben“ werde. Die Ankündigung Nagels, schnellstmöglich nach Afghanistan abzuschieben, diene vor allem dazu, „die afghanische Gemeinde in Unruhe zu versetzen“.

Marco Carini