Ein Bundesligist betreibt Gesichtschirurgie

Wenn der Tabellenfünfzehnte aus Mönchengladbach heute im Borussia-Park gegen Arminia Bielefeld antritt, werden die Zuschauer ihr Team kaum wieder erkennen: Mit sechs neuen Stammspielern soll der Abstieg verhindert werden

MÖNCHENGLADBACH taz ■ Borussia Mönchengladbach hat eine neue Nische in der Geschäftswelt des Profifußballs erschlossen. Während die großen europäischen Ligen im Winter nur sehr kurz oder gar nicht pausieren, sieht der Bundesligaspielplan ein längeres Zeitfenster ohne Wettkampffußball und mit langen Trainingslagern vor. Da verwundert es, dass nicht schon mehr Mannschaften auf sportlicher Talfahrt ihren Kader in den Januarwochen von Grund auf umgekrempelt haben. Die internationale Konkurrenz auf dem Markt ist zu jener Zeit weniger groß, weil mit dem Ligabetrieb beschäftigt, ein echter Vorteil bietet der Terminkalender also für die Bundesliga. Wenn das Mönchengladbacher Experiment glückt, werden im kommenden Jahr vielleicht auch andere Klubs ähnlich verfahren.

Sechs neue Spieler hat die Borussia mittlerweile verpflichtet, allesamt aktuelle oder ehemalige Nationalspieler. Zuletzt gab man bekannt, dass Filip Daems, ein Belgier, der den verletzten Christian Ziege links in der Viererkette ersetzten soll, einen Vertrag unterschrieben hat. „Wir wollten nur Stammspieler verpflichten. Ich denke, das haben wir gemacht“, sagt Trainer Dick Advocaat. Sechs Spieler, allesamt Stammpersonal, da bleibt nicht mehr sehr viel Platz für die alten Leute. „Im Sommer hättest du solche Spieler gar nicht bekommen“, erklärt Advocaat das Rezept der beeindruckenden Einkaufstour auf der neben Daems, Torhüter Kasey Keller, der Verteidiger Craig Moore, die Mittelfeldspieler Jörg Böhme und Bernd Theijs sowie der Stürmer Wesley Sonck an den Niederrhein wechselten.

Der Klub suchte nach Spielern, die anderswo ihre Perspektive verloren hatten und ihre Situation sofort ändern wollten. Die abgebenden Vereine sind daher froh, Spieler, auf deren Dienste sie ohnehin keinen Wert mehr legen, von der Gehaltsliste streichen zu können. Der ehemalige Schalker Jörg Böhme ist das beste Beispiel für diesen Vorgang, im Sommer hätten wohl noch andere Vereine mit geboten um die Dienste des Außenbahnspielers.

Die pure Freude haben sie aber trotzdem nicht an ihrer ungewöhnlichen Strategie des Umbruchs. Denn wer als 15. der Tabelle im Winter derart zulangt, gerät in der Fußballbranche mit ihren ewig gleichen Mechanismen schnell in Verruf, panisch und auf Kosten der Zukunft zu handeln. „Gladbach-Wahnsinn“, schlagzeilte die Bild, warf merkwürdig berechnete und erschreckend hohe Summen in den öffentlichen Raum und suggerierte damit, der Klub stürze sich in jenen Strudel der Verbindlichkeiten, in dem Schalke oder Dortmund stecken.

Präsident Rolf Königs ist verärgert über derartige Darstellungen. „All unsere Handlungen sind nichts als geplantes Investment. Wir bleiben voll in unserem Budget, keinen Euro darüber“, sagt er. Allerdings fügt er etwas kryptisch hinzu: „Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch mal überraschende Dinge machen wie einen Vorgriff auf die kommende Saison.“ Übersetzt heißt das: Es wurde Geld ausgegeben, das eigentlich für die Zukunft vorgesehen war. Dafür hat man aber auch jetzt schon einen rundum erneuerten Kader.

Doch nicht nur die besonderen Chancen des winterlichen Transfermarkts haben die Mönchengladbacher beispielhaft vorgeführt. Sie demonstrieren auch eine zweite allgemeine Entwicklung: Die neuen Stadien, die viele Städte zur WM bekommen haben, eröffnen enorme Möglichkeiten. Wenn Volker Finke auf diesen Wettbewerbsvorteil für Klubs wie Hannover, Nürnberg, Mönchengladbach oder auch die Zweitligisten Frankfurt, Köln und 1860 München hinweist und davon spricht, dass die fünf Kleinen in der Bundesliga (Bielefeld, Bochum, Freiburg, Rostock, Mainz) deshalb deutlich verschlechterte langfristige Chancen haben, wurde er lange nicht so richtig ernst gekommen. Mainz und Bielefeld kommen schließlich wunderbar zurecht.

Dass Mönchengladbach nun ein halbes Jahr im neuen Stadion reicht, um derart zuzulegen, dürfte der Konkurrenz im Abstiegskampf zu denken geben. „Am Bökelberg hatten wir 30.000 Zuschauer im Borussia-Park haben wir 50.000“, erklärt Königs, und diese Zuschauer geben in ihren Logen und Business-Seats natürlich auch mehr aus als das Stehplatzpublikum vom Bökelberg. Außerdem habe sich die Zahl der Sponsoren von 50 auf 330 erhöht, so der Präsident, und einen neuen, besser bezahlenden Trikotsponsor konnte der Klub auch noch präsentieren in der Winterpause. Trainer Advocaat sagt: „Wir haben der Mannschaft ein neues Gesicht gegeben.“ In Wahrheit aber ist es so, dass der ganze Klub mit einem völlig neuen Gesicht daherkommt, wenn heute gegen Arminia Bielefeld eine rosige Zukunft eingeleitet werden soll.

DANIEL THEWELEIT