„Werner Müller war gut für den Atomausstieg“, sagt Jürgen Basedow

Für den Energiewettbewerb hat der Ex-Wirtschaftsminister wenig getan. Ob das an den Geldzahlungen von Eon liegt?

taz: Herr Basedow, die Monopolkommission, deren Vorsitzender Sie sind, hat im Jahr 2002 die Fusion von Eon und Ruhrgas untersagt. Warum?

Jürgen Basedow: Weil dieser Zusammenschluss wettbewerbswidrig ist. Theoretisch wäre nach einer Fusion auf dem Gasmarkt zwar weiterhin Wettbewerb möglich gewesen. Praktisch aber nicht mehr: Der Zusammenschluss hätte einen abgeschotteten Markt hervorgebracht.

Genau so ist es aber gekommen, weil der damalige Wirtschaftsminister Werner Müller dies wollte. Jetzt ist bekannt geworden, dass Müller damals monatlich 8.000 Euro Pension von Eon bezog. Ist das nicht sehr nahe dran am Geruch der Korruption?

Nein, es ist komplizierter. Müllers Nähe zu Eon war von Anfang an hinlänglich bekannt. Um sie nachzuweisen bedarf es keiner Pensionszahlungen. Eon stellte damals einen Antrag auf eine so genannte Ministererlaubnis, mit der das Votum von Monopolkommission und Bundeskartellamt außer Kraft gesetzt werden sollte. Müller erklärte sich daraufhin für befangen. So einen Fall hatte es in der Geschichte der bundesdeutschen Wirtschaftspolitik noch nicht gegeben. Die Frage war, wer an seiner statt entscheidet. In Frage kamen der Finanzminister und der Bundeskanzler. Schließlich entschied Müllers Stellvertreter, Staatssekretär Alfred Tacke …

, der nachdem er diese Ministererlaubnis zur Fusion erteilte, in die Chefetage des Energiekonzerns Steag wechselte.

Dieser Wechsel hat im Nachhinein tatsächlich den Anschein von mangelnder Objektivität bei der Ministererlaubnis begründet. Zwischen einer politischen Gestaltungsaufgabe und der Übernahme unternehmerischer Verantwortung im selben Bereich sollte eine gewisse Karenzzeit liegen.

Werner Müller war bis 1997 Energiemanager beim Eon-Vorgänger Veba, ein Jahr später wurde er parteiloser Wirtschaftsminister. Hätte ihm eine solche Karenz nicht auch angestanden?

Der Wechsel aus der Wirtschaft in die Politik ist wesentlich unattraktiver als andersherum. In der Politik muss man ständig auf viele Interessen Rücksicht nehmen. Deshalb hat man wesentlich geringere Gestaltungsmöglichkeiten als innerhalb der Hierarchie eines Unternehmens. Vor allem verdient man in der Politik wesentlich weniger. Außerdem hat sich Müller ja nicht um das Amt beworben. Die Bundesregierung warb um ihn.

Seinerzeit standen tiefe Strukturreformen auf dem deutschen Energiesektor an. War es ein Fehler der Schröder-Regierung, diese Aufgabe einem Eon-Mann anzuvertrauen?

Man muss das im historischen Kontext sehen. Eines der wichtigsten politischen Ziele, mit denen die Grünen in die Regierung eintraten, war der Atomausstieg. Für alle Fachleute war klar, dass dieser Brocken von der Energiewirtschaft nur mit Schmerzen zu schlucken ist. Deshalb war die Personalie Werner Müller durchaus klug: Ein Mann aus der Branche, der weiß, mit wem er wie reden muss. Man kann sich vorstellen, dass Müller den Konzernen nicht nur neue politische Forderungen vortrug, sondern auch einige Angebote im Gepäck hatte.

Derzeit wird viel über die hohen Gaspreise gestritten. Welchen Anteil hat daran Müllers Ministererlaubnis?

In erster Linie sind die hohen Gaspreise eine Folge der hohen Ölpreise. Gaspreise sind bekanntlich an die Ölpreisentwicklung gekoppelt. Dass aber solche Vertragsklauseln gegenüber Neukunden überhaupt durchgesetzt werden können, hat auch damit zu tun, dass kein ausreichender Wettbewerb besteht. Die Bundesregierung ist an mangelndem Wettbewerb nicht schuldlos: Einige Entscheidungen der letzten Jahren haben die Entfaltung von Wettbewerb unterbunden – darunter die Ministererlaubnis.

Zu den schärfsten Kritikern der Gaspreise gehören jene Energiepolitiker der Grünen, die die Personalie Werner Müller einst mittrugen. Lügen die sich heute nicht selbst die Tasche, wenn sie die monopolistischen Strukturen auf Deutschlands Gasmarkt kritisieren?

Ein Ex-Energiemanager als Wirtschaftsminister war für die Umsetzung des Atomausstiegsbeschlusses – und deshalb für die Grünen – durchaus von Vorteil. Wichtig ist, dass die Grünen jetzt, wo das neue Energiewirtschaftsgesetz ansteht, die Fehler der Vergangenheit korrigieren. Wir brauchen mehr Wettbewerb, bessere Zugangsbedingungen zum Markt, fairere Durchleitungskonditionen und vor allem eine wirksame Kontrolle. Bei allem, was mir bekannt ist: Die von den Grünen mitgetragenen Entwürfe des neuen Gesetzes lassen an manchen Stellen zu wünschen übrig.

Können Sie das konkretisieren?

Die Monopolkommission hält es für unerlässlich, dass Durchleitungstarife vorab von einer Regulierungsbehörde genehmigt werden. Im jetzigen Gesetzespaket steht aber an etlichen Stellen, dass Tarife ohne eine solche Vorabgenehmigung erhoben werden können. Der Verbraucher muss dann im Nachgang von der Regulierungsbehörde klären lassen, ob die Erhöhung rechtens war. Das ist weder wirksam noch wettbewerbsfördernd.

INTERVIEW: NICK REIMER