Die Zeitung ist schuld.

Oder: Eine kleine Anatomie der Faltkreatur

VON FRANZOBEL

Es war letzten Sommer, da haben wir uns kennen gelernt in einem Nachtklub namens Pekingente in Seoul. Er, David Beckham, dessen Name auf Deutsch vielleicht »hausbacken«, »Bäckerschinken« oder »Heimpacker« hieße, David Beckham also war mit dem Baiser Real Madrid auf Asien-Tournee, und ich hatte mit Herrn Li, meinem Übersetzer ins Südkoreanische, zu tun, der, weil zufällig sein Schwager, ebenfalls ein Herr Li, die Realstars betreute, uns bekannt machte. Wir redeten über asiatisches Essen, Sars, die Herrn Li und Li, über Flugängste und Freistöße. Keine halbe Stunde später flüsterte mir der englische Flankengott ins Ohr: »Normalerweise mache ich das nicht, aber würdest du mich später in meinem Hotelzimmer besuchen?«

Zugegeben, ich war etwas baff, Steirertor, trank, um mich zu fangen, einen Schlangenschnaps, schluckte ein paar von den Tigerpenis- und Affenschwanzpillen, die mir ein anderer Herr Li für die Eventualität, dass ich etwas machen wolle, was ich normalerweise nicht mache, schon am Flughafen angedreht hatte, und eilte dann stracks wie ein von einer Flanke geschickter Mittelstürmer in den Strafraum namens Shangri-La-Hotel, wo mich David Beckham im Abseits schon erwartete. Pst, hatte er einen Finger an den Lippen, normalerweise mache er das nicht. Dann führte er mich in seine Suite, an sein Bett, und begann, mich überall zu küssen und zu massieren. Gurke! Er schob seine Hand in meine Hose und mir wurde gleich bewusst, zu viel von dem pulverisierten Tiger- und Affen-Gehänge geschluckt zu haben. Torraub! Gelbe Karte! Trotzdem war fast alles perfekt, sehr leidenschaftlich, sinnlich, enge Manndeckung, mit sehr viel Drall und Gablereien lernten wir uns kennen, und hätte er nicht ständig Elfmeter verlangt und »Foul Out!« gerufen, es wäre richtig schön gewesen.

Nachher zündeten wir uns Havannas an, dachten an den armen dicken Diego Maradona, dem es schon damals nicht besonders gut gegangen ist, und David war in Gedanken wohl auch bei seiner Frau, sagte: »Weißt du, ich liebe Viktoria, aber es ist mehr wie Bruder und Schwester. Ich finde sie nicht mehr so attraktiv wie früher, sie ist so dünn.« Aha, dachte ich, zu wenig abgespiced, streichelte mein Bäuchlein, zog es ein, stülpte es heraus. Doch bevor mir klar wurde, was das bedeuten konnte, rief er schon bei der Rezeption an und orderte russischen Champagner und französischen Kaviar, »weil diese Falschheit des Falschen oft schon wieder echter als echt ist«. Sein Chauffeur wurde losgeschickt, noch ein paar Gummis zu besorgen, schließlich war die Nacht noch jung, wir erst in der Halbzeitpause.

So jung war die Nacht wie die Hotelwände dünn. Plötzlich stand Becks prinzipientreuer Mannschaftskollege Ronaldo an der Tür und hat wie wild gebrüllt: »Aufhören! David! Denk an Viktoria, denk an deine Kinder!« Aber das war vermutlich nur ein Ablenkungsmanöver, denn parallel dazu hatten sich Roberto Carlos und Luis Figo einer Fensterputzgondel bemächtigt, mit der sie nun vor der Glasfassade der Suite auftauchten, um »My pony is over the ocean« zu intonieren. Gleichzeitig hatte sich Zinedine Zidane mit einer Flasche Sangria im Belüftungssystem des Shangri-La verkrochen und so laut meditiert, dass aus allen Lüftungsschächten sein mönchisches Om ertönte. Der Rest der Mannschaft war dabei, sich mit Reisschnaps zuzuschütten. Doch damit nicht genug, hat zu allem Überfluss auch noch Raúl meine sämtlichen Verleger informiert, die nun ebenfalls an die Tür klopften, sich präventiv um Rechte stritten und kreischten: »Nicht locker lassen, Franzobel, das wird ein Bestseller. Endlich! Die Fernsehrechte sind bereits verkauft, dann kommt der Film ‚Normalerweise mache ich das nicht‘, ein Musical.«

Als ich, erschrocken von so viel Reichtum, erwachte, fand ich eine Zeitung neben mir, in der auf mehreren Seiten über die Beckham’schen Halloderien berichtet wurde. Scheinbar war ich darüber eingeschlafen. Normalerweise mache ich das nicht.

Der Mensch ist wie fast alles, was so kreucht und fleucht, symmetrisch: zwei Augen, Hirnhälften, Arme, Beine, Nasenlöcher, Ohren, Lungenflügel, Nieren, Eierstöcke oder Hoden. Und auch sonst ist alles irgendwie geteilt in links und rechts, oben und unten, gut und böse, 0 und 1, Apple oder Microsoft, Pepsi oder Coca. Sogar das Kontinuum der Zeit haben wir zerschnitten in ein Vorher und ein Nachher, sodass es nicht wundert, nicht nur Gott als Ebenbild zu sehen, sondern dass auch das Medium der Zeit, die Zeitung, immer nur symmetrisch anzutreffen ist. Bei allen möglichen und unmöglichen Formaten, allen erdenklichen Schriftbildern und Farben, bleibt doch eines stets gewahrt: Zeitungen, die täglich sterben und geboren werden, sind symmetrisch, liegen wie Jesus am Kreuz zwischen den Schächern an einer Hauptfalzachse, wie auch Kipferl und das Verhältnis zwischen Milch und Zucker im Kaffee stets irgendwie symmetrisch sind. Symmetrie heißt Stabilität, Teilbarkeit.

Zur Wahrung dieser Ebenmäßigkeit hat die selige, vieltittige österreichische Kaiserin Maria Theresia extra Kipferlsymmetrieüberprüfungskommissare eingesetzt, die zum Behufe der Kipferlgleichmäßigkeitsüberprüfung das Land der Habsburger mit kleinen Taschenspiegeln bereisten, damit nirgendwo was aus dem Gleichgewicht geriet. Kaiser Franz Joseph, das war der mit dem Drahtbürstenhaargeflecht, hat später das siamesische Zwillings-k.-und-k.-Wesen auf Würstel und den (Doppel-)Adler ausgedehnt, was in der heutigen EU rudimentär in den Krümmungswinkel beurteilenden Bananen- und Gurkenkommissaren überlebt hat – wie auch in der Erotikbranche. Wie die Würstel haben auch die Kipferl, die woanders Hörnchen, media lunas, croissants, cseký krumlow, kifla, rogulka, pubocoxugeus, roti oder xiyo-miàn-baom heißen, von Wien aus ihren Siegeszug angetreten, die Frühstückstische der Welt zu erobern, das Symmetrische der Zeitung, die quasi eine Achse um gestern und heute bildet, auch gebäckgemäß vorzustellen.

Eine Zeitung, und ich meine hier vor allem eine Tageszeitung, wiewohl auch Medien wie das wöchentlich erscheinende Argentinische Tagblatt, die Zeit, der Freitag oder der österreichische Falter eindeutig keine Zeitschriften oder Illustrierte sind, eine Zeitung also gehört für mich unabdingbar zum Frühstück, in jene unbestimmte zähe Doppelstunde zwischen augenverkrustetem Halbschlaf und Vormittagsmüdigkeit. Natürlich ist das Zeitunglesen Luxus, vielleicht der schönste, den man hat, man zwackt dem Tag, der noch kaum die Äuglein offen hat, gleich eine Ecke ab, um noch einmal das Gestrige und Vorgestrige in sich hineinspiegeln zu lassen, die schon vergangenen Geschehnisse schwarz auf weiß und dazu noch kommentiert zu sehen, ja, sie vielleicht erst durch ihre Zeitungsexistenz als scheinbar wirklich zu begreifen. Eine Zeitung versichert den Menschen, dass es sie gibt, sie es sind, die im Zentrum des Weltgeschehens sich nicht bewegen – ähnlich den Wetteransagern, bei denen auch immer ihr eigenes Land im Hintergrundmittelpunkt ist, egal wo sie sich befinden auf der Welt. Und so ziemlich überall gibt es auch Zeitungen, dicke, dünne, regionale, internationale – und alle sind symmetrisch. Eine Zeitung ist die ins Erwachsenenleben gerettete Fortsetzung der Gutenachtgeschichten, Bilderbücher oder Comics, gespiegelte Kindheit eigentlich. Und eine Zeitung, daher ist bei Lesern auch der Relaunch so unbeliebt, steht immer für Gewohnheit und Kontinuität, dass alles so bleibt, wie's ist.

Aber wer liest überhaupt Zeitung? Stimmt es, dass Männer unbedingter lesen als Frauen? Dafür vor allem Sport? Vermutlich gibt es vier Zeitungslesertypen: a) die Frühstücksleser, zu denen ich mich selbst zähle; b) die Kaffeehausleser, die im Grunde nur in einer extra dafür institutionalisierten Einrichtung, dem Kaffeehaus nämlich, das Frühstück über den ganzen Tag ausdehnen und somit eine Art Extrem-Frühstücksleser sind; c) die Wartezimmer-, Straßenbahn- oder Sonstwoleser, die mit der Zeitung nur die Zeit totschlagen, Hasenställe auslegen oder sonstigen Unfug treiben – also Dilettanten; und schließlich d) die Kloleser, die die Zuführung von Buchstaben benötigen, um ihren geschäftlichen Verrichtungen nachzukommen. Wenn man c), die Dilettanten, als unbedeutende Restmenge weglässt, bleiben vor allem a) und d), die sich ins Zeitungskonsumierungsgehege kommen, weil die einen beinahe unvermeidbare Kaffeeflecke am Papier und, noch schlimmer, Kipferl- oder sonstige Brösel in den Falzen hinterlassen, was mitunter gerade beim unschuldigen Entblättern von d) (etwa mit schon heruntergelassener Hose) unangenehmste Befüllungen ergibt. Umgekehrt ist für a), Frühstücksleser, die d)-Intimität der Zeitung, deren poröses Papier Gerüche gierig saugt, während eines Privatgeschäfts äußerst ungustiös – und somit ein dauerndes Vor-die-Flinte-Geraten. Vielleicht erklärt das ja den Siegeszug der Kaffeehäuser?

Die Zeitung selbst, von diesen Querelen unbeeindruckt, befriedigt einen Wunsch nach Aktualität. Die Herausgeber und Redakteure denken bestimmt nicht im Entferntesten daran, genuin Frühstücksunterlagen oder Abführmittel zu produzieren. Vielmehr wollen sie ihre Leser in das Zeitgeschehen setzen, ihnen die Essenzen der Wirklichkeit herausfiltern, sie an den Tropf ihrer Weltsicht hängen, die zusehends verangstet und versportet. Sport ist die neue Religion, das schlägt sich leider auch in Zeitungen nieder.

Nicht, dass ich Sport nicht liebe, aber manchmal, wenn die Welt nur noch aus Joggern und Skifahrern besteht, abends alle in die Fitnesscenter drängen, Rennradler durch die Straßen strampeln, an jeder Ecke einer mit Hanteln und Expander steht, wird es sogar mir zu viel. Sport in jedem zweiten Fernsehkanal, am Kiosk, in deutschen Bahnhöfen gar auf Großleinwänden, Sport, überall Sport, und sogar jetzt befinden wir uns schon darin, wenn auch nur am Rand.

Der Sport ist so omnipräsent, dass er bei manchen Menschen bereits Allergien erzeugt, Sportausschläge, Sportekzeme. Vielleicht wird man aus psychohygienischen Gründen bald schon die Einführung einer sportfreien Zone diskutieren müssen. So wie es jetzt kleine, verqualmte Kämmerchen für Raucher gibt, Grünanlagen, auf denen keine Kinder spielen dürfen, Ruheabteile im Zug oder Wiesen nur für Hunde, wird es dann eben auch garantiert sportlose Räume geben, Räume ohne Tabellen und Ergebnisse, ohne Sieger und Verlierer. Was aber wird man dann dort treiben? Nur die Zeit totschlagen geht ja auch nicht. Angeln? Das schaut nicht nach Leistung aus, eher gleichen die langen, ins Wasser zeigenden Ruten einem Prostatakrankentraum vom Urinieren. Aber leider, bei den Anglern gibt es ja auch schwarze Schafe: Sportfischer! Was ist mit Spazieren, dem gemächlichen, nicht zielgerichteten Flanieren? Leider artet auch das nur allzu oft in Powerwalking aus.

Dann aber ist mir etwas eingefallen, nämlich dass es eine sportfreie Zone ja schon gibt, wenigstens in Wien: das Kaffeehaus! Der Hort der Extremfrühstücksleser! Das Wiener Kaffeehaus, wo die Zeitungen nicht wie sonst üblich mit Heftklammern verunstaltet werden, sondern ein Skelett aus gebogenem Schilfrohr erhalten. Wo man inmitten eines seltsamen Biotops aus Nostalgie und Monarchie in abgewetzte Polstermöbel sinkt, man bei einem kleinen Schwarzen, wie man den Espresso bar jeder politischen Korrektheit hier noch immer nennt, praktisch endlos sitzen kann, mindestens aber bis zur Sperrstunde, weil einen die Ober nach der ersten Versorgung nicht weiter zur Konsumtion drängen.

Das Wiener Kaffeehaus ist ein letztes sportloses Refugium, ein Zeitungsparadies. Man fühlt sich wie von einer dünnen Eihaut umspannt, umflutet von breiigem Licht, eingekocht in einer Soße, die aus allen möglichen abstrusen, ja oft grotesken Welterklärungsmodellen sich zusammensetzt. Nicht zu laut sprechen darf man hier, aber auch nicht zu leise, jedes hysterische Auflachen wird mit Blicken streng bestraft. Dafür zelebriert man jede Bestellung, jedes Zeitungsumblättern wie einen Staatsakt. Die Tortenvitrine hält Esterházyschnitten, Punschkrapfen und Apfelstrudel bereit, doch ganz egal, was immer man bestellt, und sei es Gulaschsuppe oder Würstel, vom Ober bekommt man so oder so eine Frage nur gestellt: »Schlag dazu?«, womit er aber keine Ohrfeige, sondern die sonst wohl nur als Sahne bekannte fette Süße meint, auf die übrigens seit Anbruch des sportiven Zeitalters immer mehr verzichtet wird.

Was ein richtiges Wiener Kaffeehaus ist, hat es auch ein Hinterzimmer mit mehreren kleinen Tischen, an denen alte, Mizzi, Milli und Fanny heißende Damen tarockieren. Das mehr Wagemut erfordernde, aber ungleich leichtere Schnapsen ist im Kaffeehaus weniger angesagt. Wer es trotzdem tut, gilt als Proletenrammel. Nach undurchschaubaren, aber allen Beteiligten geläufigen Plänen verwandeln sich irgendwann am späten Nachmittag die grün besamteten Kartenspieltische in Schachbretter, schlüpfen, zumindest scheint es so, Schachspieler aus den Mizzis, Millis und Fannys. Später verwandeln sich auch sie. Die Nacht gehört dann ganz dem Billard. Natürlich, auch das kann Sport sein, aber im Kaffeehaus betreibt man ihn nicht so.

Im Wiener Kaffeehaus gilt der Sport noch nichts, man spricht nicht über ihn, er kommt nicht vor – höchstens in den Zeitungen. Manchmal tut das gut, manchmal sogar sehr. Dann hat man sogar die Hoffnung, dass diese Wiener Kaffeehaustradition in die Zeitung zurückspiegelt, den Sport wieder hinausdrängt aus der Welt.

Zeitung? Obwohl das symmetrische Medium noch ziemlich jung ist, hat es keine der Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts verhindern können, oder doch? Zumindest an den großen Kriegen waren Zeitungen nicht unbeteiligt – und nun ist das Medium auch schon längst von anderen, schnelleren, überflügelt.

Das Internet zum Beispiel. Was will es? Das Internet ist wie das Weltall, unendliche Weiten tun sich auf, eine Unzahl verschiedenster Welten, in denen die eigene so verschwindend klein ist, dass wir ihre Winzigkeit unmöglich je begreifen, geschweige denn ertragen. Oder wie sollen wir verstehen, dass unsere Sonne im Universum einem Sandkorn auf einer nur mit Wüste bedeckten Erde gleicht? Die Erde aber im Verhältnis zur Sonne nicht mehr ist als eine Prise Fischfutter im Bodensee?

Wie sollen wir uns mit solch unvorstellbaren Dimensionen, die uns als unbedeutend, winzig und gering hinstellen, jemals abfinden können? Ist es da nicht allzu verständlich, dass wir versuchen müssen, uns unserer selbst zu versichern und der gigantischen Ausdehnung die eigene Komplexität entgegenhalten, unsere Existenz beweisen, indem wir eine Homepage einrichten, ein kleines Besenkammerl von uns selbst. Homepages sind die Visitkarten der Gegenwart, die modernen Kleinanzeigen. Früher ließ man sich porträtieren, heute richtet man sich eine Homepage ein. Egal ob Tapezierer, Wurstverkäufer, Rechtsanwalt, alle drängen sie ins Internet hinein, errichten sich Domains wie früher Häuser. Sogar Sportler, ja, vor allem Sportler. Skifahrer etwa, deren Existenz doch in den anderen Medien genug bewiesen scheint, berichten auf Homepages über Rennergebnisse, Lieblingsspeisen, Namen von Maskottchen und noch so allerlei, was die Zeitungen zum Glück verschweigen.

Nur Hermann Maier fällt wieder einmal aus dem Rahmen, sein Internetauftritt ist mehr eine Mischung aus Onlinekaufhaus und Pfarrflohmarkt denn die Homepage eines Sportlers. Dauernd tun sich Fenster auf und bieten Herminator-Powerriegel, Glücksschweine, Herminator-Banking oder sonst was an. Es ist wie in einer Hermann Maier Shoppingcity.

Aber Schifahrer sind schreibfaul, fast alle Homepages beschränken sich auf Daten und Bilder, kaum jemand, der aktuelle Rennen kommentiert. Da sind die Damen weniger gehemmt. Bei Nadja Styger etwa findet sich ein langes Beinahe-Tagebuch. Ähnliches versucht auch Gitti Obermoser, herrlicher Name!, bei der sich so wunderbare Stellen finden wie die folgende, die ich Kabarettisten zum Vortrag anrate: »Leider konnte ich die Trainingsleistungen mit Platz 25 im Rennen nicht herunterbringen. Ich bin sehr enttäuscht. Aber, liebe Fans, wie ihr mich kennt, werde ich positiv in die Zukunft schauen und weiter daran arbeiten. Als Nächstes steht ein Super-G in Aspen nächsten Freitag, den 29. 11., auf dem Programm. Ich freue mich jetzt schon sehr auf die Speedbewerbe. Also liebe Fans, lasst nicht den Kopf hängen, den ich lasse ihn auch nicht hängen, und wir werden noch schöne Erfolge feiern können. Eure Gitti.«

Homepages von Schifahrern? Haben diese kleinen Botschaften im unendlichen Raum des Internets Sinn? Werden sie besucht? Bei Martina Ertl waren bis dato 8.700 Besucher, bei Elfriede Jelinek waren, was mich doch beruhigt, schon vor dem Nobelpreis fast zehnmal so viel.

Die Zeitung ist nicht bloß ein gefaltetes, bedrucktes Papier, sondern ein Organ, ja ein wucherndes Biotop mit kleinen Kolumneninseln, Gewässern, Redaktionsgestrüpp. Eine Zeitung fühlt sich an, putzt sich heraus und riecht, jawohl, aus dem Verhältnis von Druckerschwärze und Papier – vielleicht auch noch mit Partikeln des Vertriebs gemischt – ergibt sich ein jeweils eigenes Odeur, das für den Erfolg einer Zeitung vielleicht nicht minder verantwortlich ist als ihr Inhalt. Riechen Sie einmal! Jawohl, nur keine Scheu! Wer weiß, wie viele Zeitungen aus olfaktorischen Gründen zugrunde gegangen sind – mir fällt jetzt nur das geschlechtslose Täglich Alles ein, die erste österreichische Tageszeitung im Vierfarbdruck. Und eine gute Zeitung ist zerlegbar, passt sich in ihren Teilen der Durchschnittsfamilie an – eine Art Haustier. Das ist auch der Grund, warum alle Herausgeber mit Probeabos angeschnurrt kommen. Einmal an so ein Tier gewöhnt, will man es nicht mehr missen.

Nun ist es auch nicht so, dass man in eine Zeitung nur hineinschaut wie in einen Fernseher, man geht eine Symbiose ein, paart sich mit ihr. In österreichischen Gemeinden, wenn es wie zur Warnung schon am Ortsanfang heißt: Weiterschwang, Eberschwang, Wankham, Kahlham, Öd oder wie auch immer »liest die Neue Kronen Zeitung«, hat man gar das Gefühl einer grotesken Partnerschaft, als fände eine Art, wenn auch nur geistiger Besetzung statt. Noch haben Zeitungen Macht, gibt es Zeitungsgemeinden, eine Zeitungszugehörigkeit, noch können Zeitungen die Wirklichkeit vergelten. Noch ist es wie mit den Haustieren, wo man auch nicht weiß, ob nun das Tier aussieht wie Herrl, Frauerl oder umgekehrt.

Ob es allerdings in 50 oder 100 Jahren noch Zeitungen gibt oder ob sie dann so wie heute die Moritatensänger und Nachrichtenschreier von anno dazumal belächelt werden, alle Informationen über Internet und Handy laufen? Ich fürchte schon. In 50 oder 100 Jahren wird es, wenn es blöd läuft, einen Firmenfeudalismus geben, wird die Welt nicht mehr in Staaten, sondern in Großkonzerne unterteilt sein, wird es, wenn es blöd läuft, nur noch Firmenzeitungen geben, was dann auch eine Art Symmetrie ist. Oder vielleicht nicht? Ob dann allerdings noch wer auf David Beckham steht, weiß ich nicht.