Mit Füßen sprechen

Borussia Dortmund siegt in Wolfsburg vor allem für die stolzen Fans. Präsident Rauball: „Probleme allein lösen“

WOLFSBURG taz ■ Es ist nur ein Sieg gewesen. Noch sind es 16 Partien, bis Borussia Dortmund vielleicht die Qualifikation für ein weiteres Jahr in der obersten deutschen Fußball-Klasse geschafft hat. Oder sogar mehr, Kapitän Christian Wörns sprach schließlich während der Winterpause vom fünften Tabellenplatz. Ob es obendrauf auch noch die wirtschaftliche Lizenz gibt, ist fraglich. Dass sich die Verluste in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres in deutlich zweistelliger Millionenhöhe bewegen, wird vom BVB nicht dementiert.

Nach dem 2:1 beim VfL Wolfsburg traten die Dortmunder auf, als sei das marode Unternehmen in 90 Minuten saniert worden. Manager Michael Meier, mitverantwortlich für das finanzielle Desaster, scherzte wie lange nicht mehr. Präsident Reinhard Rauball gab sich locker. Beide Hände in den Taschen, beendete er mit einem donnernden Satz die Spekulationen, in welcher Form der einzig verbliebene Branchenriese FC Bayern München dem ehemals ernsthaften Rivalen helfen könne: „Wir lösen unsere Probleme allein.“

Dass überhaupt eine öffentliche Diskussion über bajuwarischen Großmut eingesetzt hat, machte Rauball fast wütend: „Das haben unsere Fans nicht verdient, die sich zurecht im Stolz verletzt fühlen.“ Rauball grübelte, ob es richtig war, sich in der vergangenen Woche mit Bayern-Manager Uli Hoeneß und dem Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge zu treffen. Der „Akt der Höflichkeit“, wie Rauball das Gespräch nannte, war dem BVB als Betteln ausgelegt worden. Ins Bild der stolzen Borussen, zu denen Rauball ganz gewiss zählt, passt das gar nicht.

Es waren vermutlich der wichtige und verdiente Sieg gegen schwache Wolfsburger und einige Mosaiksteine, die den Präsidenten zu einem lange nicht mehr aus Dortmund gehörten Mir-san-mir-Medley verleiteten. Da war das „Traumdebüt“ (Trainer Bert van Marwijk) von Euzebiusz Smolarek. Zehn Minuten war der Pole, kurz Ebi genannt, auf dem Platz, als er seinen ersten Bundesligatreffer erzielte (55.). Bis er den deutschen Fußball um eine weitere Weisheit bereicherte, verging nach dem Schlusspfiff noch weniger Zeit. „Wenn man Fußballer ist, muss man mit den Füßen sprechen“, sagte der Neuzugang in fast akzentfreiem Deutsch.

Trainer van Marwijk war es plötzlich in einem Anflug von Galgenhumor, der sich über die wirtschaftliche Seite Gedanken machte: „Ebi ist sein Geld jetzt schon wert.“ Smolarek, der bei van Marwijks ehemaligem Verein Feyenoord Rotterdam zuletzt nur auf der Bank saß, kostet den BVB bis Saisonende nicht einmal eine Leihgebühr. Selbst am Gehalt beteiligt sich der Ehrendivisionär noch. Mit dem Beinamen „Billig-Bomber“ könnte Smolarek also gut leben. Die Bild-Zeitung jedoch stellte ihn in der vergangenen Woche als „Hasch-Bomber“ vor. Während seiner Zeit bei Feyenoord waren bei dem 24 Jahre alten Außenstürmer Spuren von Cannabis in einer Dopingprobe gefunden worden. „Er hat auf diese Häme die beste Antwort gegeben“, sagte Christoph Metzelder, der zum ersten Mal seit März 2003 ein Spiel über die volle Distanz bestritt. Lars Ricken musste immerhin ein Jahr warten, bis er wieder in der Anfangsformation stand, in der bemerkenswerter Weise acht Deutsche auftauchten.

Bei Ricken hatte die lange Ab-stinenz im Gegensatz zu Metzelder nicht mit einer Verletzung, sondern mit fehlender Fitness und Form zu tun. Am Samstag stimmte die Leistung. Ricken gehörte mit dem 17 Jahre alten Marc-André Kruska und Florian Kringe zu den stärksten Dortmundern und bereitete das 2:0 von Jan Koller vor (60.), dem die Wolfsburger nur einen Treffer von Facundo Quiroga entgegen zu setzen hatten (82.). „Ich danke dem Trainer für das Vertrauen“, sagte Ricken, der zwischenzeitlich zu van Marwijk ein – gelinde gesagt – unterkühltes Verhältnis hatte. „Aber das kann alles nur der Anfang gewesen sein.“ Ricken bezog das auf seine Situation. Doch der Satz passt gut zum ganzen Verein. MARCUS BARK