berliner szenen Nachdenken

Weiß auf schwarz

Wenn man sonntags nach dem Flipperspielen in der Kahuna-Lounge nach Hause geht, hat man so viele Sätze im Kopf, die sich aneinander reihen, sich verästeln und doch ein geordnetes Ganzes geben. Wahrscheinlich liegt das am Licht, denk ich manchmal, wenn ich verraucht diesen Weg gehe, dass die Gedanken im Kopf, die am Schreibtisch nicht mehr zusammenpassen werden, in der Urbanstraße noch vollkommen logisch wirken. Das gesteigerte Vorstellungs-, Denk- und Wörteraneinanderreihvermögen kommt vom Gehen in der nächtens immer menschenverlassenen Urbanstraße, die am besten aussieht, wenn sie nass ist. Am schönsten sind die nackten Äste der Bäume, die Straßenlampen und das düster viktorianische Urbankrankenhaus im Nieselregen. Die Nässe der Urbanstraße reflektiert ja die Welt an sich schon; dass es unten, am Boden also, eigentlich dunkel ist, ist dabei sehr wichtig. Man kann wohl eigentlich nur geordnet denken, wenn es unten dunkel ist. Vermutlich besteht der Unterschied zwischen Schreiben und Denken darin, dass das Schreiben schwarz auf weiß geschieht, während beim Denken weiße Wörter entstehen, die einen dunklen Hintergrund brauchen, sonst sieht man sie nicht mehr. Auch deshalb fürchtet man sich beim Nachhausegehen davor, gleich wieder am Schreibtisch zu sitzen, denn der Boden in der Wohnung ist viel zu hell und das wird noch von den weißen Raufasertapeten multipliziert. So wird man wieder sitzen und die Gedanken nicht mehr lesen können, die eben noch ein Ganzes ergaben. Ein paar Meter vor der Aufbewahrungsanstalt seiner selbst, träumt man immer davon, sich einen Schlafsack zu nehmen und draußen wie früher mit seinem Notizbuch zu schlafen. DETLEF KUHLBRODT