Ein Wüstenpräsident untergräbt seinen Staat

NIGER Um sich eine dritte Amtszeit zu sichern, sind Präsident Mamadou Tandja alle Mittel recht

BERLIN taz | Das Ansinnen von Präsident Mamadou Tandja im Sahelstaat Niger, sich unter Umgehung der Verfassung eine dritte gewählte Amtszeit zu sichern, hat das bitterarme Land zwischen Libyen und Nigeria in eine politische Krise gestürzt. Nachdem Präsident Tandja am Dienstag das Parlament vorzeitig auflöste, spekulierten Beobachter gestern über vorgezogene Neuwahlen, die per Behinderung der Opposition dem Staatschef eine linientreue Legislative bescheren sollen. Das könnte Tandja den Weg freimachen für eine Verfassungsreform, die die bisherige Beschränkung der Amtszeiten eines Präsidenten auf zwei aufhebt. Seine laufende Amtszeit endet Ende 2009.

Eigentlich hatte Präsident Tandja seine dritte Amtszeit per Volksabstimmung durchsetzen wollen. Diese kündigt er seit Wochen immer wieder in öffentlichen Reden an. Eine Gruppe von 23 Parlamentariern reichte dagegen am 11. Mai Klage vor dem Verfassungsgericht ein, und am vergangenen Montag gaben die Richter der Klage statt und setzten das geplante Referendum aus. Sie verwiesen darauf, dass eine Verfassungsänderung in Niger nur von Präsident und Parlament gemeinsam initiiert werden kann, und zwar, wenn drei Viertel der Abgeordneten dafür sind. Der Paragraf, der die Amtszeiten des Staatschefs begrenzt, darf überhaupt nicht verändert werden.

Damit droht Niger ein zerstörerischer Machtkampf. Bis Anfang der 90er-Jahre war das Land eine Militärdiktatur und erlebte danach jahrelange Instabilität, bis Mamadou Tandja als Vertreter der früheren Staatspartei 1999 Präsidentschaftswahlen gewann. Mittlerweile 70 Jahre alt, führt er den Sahelstaat zunehmend autoritär. Der Norden Nigers steht unter Kriegsrecht, weil dort Rebellen des Tuareg-Nomadenvolks aktiv sind. Immer wieder wandern prominente Regimegegner ins Gefängnis, zuletzt bis vor einem Monat der ehemalige Premierminister Hama Amadou. Niger ist von strategischer Bedeutung: Es ist das derzeit wichtigste Transitland für afrikanische Migranten, die über Libyen Richtung Europa ziehen, und es ist der Hauptlieferant von Uran für Frankreichs Atomindustrie. Die Ausweitung der Uranförderung Nigers hat Rivalitäten zwischen chinesischen und französischen Konzernen provoziert, die Präsident Tandja ausnutzte, um bessere Preise auszuhandeln; Anfang Mai weihte der französische Atomkonzern Areva feierlich im nigrischen Imouraren die größte Uranmine Afrikas ein. Chinesische und südkoreanische Bergbauprojekte sind in Vorbereitung.

Seitdem sieht sich Tandja in einer Position der Stärke, die er nun innenpolitisch ausnutzen will. Aber die neuen Spannungen dürften Investoren verschrecken. Der letzte Machtkampf zwischen Präsident und anderen gewählten Institutionen an Nigers Staatsspitze mündete 1996 in einen Militärputsch. Aus Angst vor einer solchen Entwicklung schließen sich nun Oppositionsparteien in Niger gegen den Präsidenten zusammen und rufen gemeinsam mit Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Kräften zur Rettung der Demokratie auf. Sie gründeten am vergangenen Sonntag ein breites Bündnis namens „Front der Kräfte zur Wiederaufrichtung“ (FFR), das Massenproteste organisieren will. DOMINIC JOHNSON