„Cool bleiben“

Hysterie im Umgang mit der NPD hilft nicht, sagt Politologe Jesse

taz: Herr Jesse, die NPD hat mit ihrem Verhalten im sächsischen Landtag am Freitag mal wieder einen bundesweiten Eklat ausgelöst. Tappen Medien und Politik in eine PR-Falle der Rechtsextremen?

Eckard Jesse: Ja, aber das müsste nicht so sein. Die demokratischen Kräfte könnten von einem solchen Klamauk der Rechtsextremen durchaus profitieren, würden sie weniger überzogen reagieren. Je deutlicher die NPD ihr wahres Gesicht zeigt, desto weniger Aussichten hat sie, bei den bevorstehenden Landtagswahlen breite Wählerschichten anzusprechen. Für die NPD ist das ein Dilemma. Man sollte deshalb im Umgang mit dieser Partei mehr Coolness wahren.

Aber muss die Öffentlichkeit nicht protestieren, wenn Rechtsextreme gezielt Tabus brechen?

Moralische Empörung kostet nichts. Die Konsequenzen sind absehbar. Die Aufregung wird sich verlaufen. Man wird zur Tagesordnung übergehen.

Tun wir der NPD also mit den aufgeregten Reaktionen sogar einen Gefallen?

Genau das befürchte ich. Dieser Alarmismus ist völlig unbegründet und spielt der NPD im Zweifelsfall in die Hände. Hysterie hilft nicht weiter. Sie ist nur ein Zeichen der Hilflosigkeit.

Wie sollte man stattdessen mit gezielten Provokationen von NPD-Parlamentariern umgehen?

Ich plädiere für eine ruhige, nüchterne Berichterstattung. Was Leute wie Holger Apfel sagen, spricht doch für sich. Das ist keine Wahlwerbung für die NPD, sondern schreckt potenzielle Wähler eher ab. Man müsste Apfel deshalb sogar öfter zu Wort kommen lassen.

In Frankreich hat der Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen aber immer wieder von solchen gezielten Tabubrüchen profitiert. Wieso soll das im Fall der NPD anders sein?

Meiner Ansicht nach gibt es hier einen klaren Unterschied zwischen beiden Ländern. In Deutschland kann man mit solch aggressiven Parolen keine Wahlen gewinnen. Die NPD hatte in Sachsen nur deshalb diesen Erfolg, weil sie eine andere Strategie fuhr und Kreide fraß.

INTERVIEW: ASTRID GEISLER